Das hätte ich auch nie gedacht: Eine richtige Wanderung über einen Grat mit ausgesetzten Stellen, und das im Mittelland. Gut, die Lägern, um die es hier geht, ist der letzte Ausläufer des Kettenjuras, ist aber von Mittellandhügeln umgeben. Umso mehr reizte uns diese Tour. Die Route ist sehr einfach zu finden: Von West nach Ost, alles auf dem Grat. 

Zwischendurch ein Blick in die Alpen
Zwischendurch ein Blick in die Alpen

„Was machen wir morgen“, fragt Fabian am Freitagabend. „Eine Wanderung“, gebe ich zur Antwort. „Och, nein!“. Dann zeige ich ihm Bilder vom Grat über die Lägern. „Oh, cool!“ Und damit war dann die Tour so gut wie gemacht. So fahren wir tags darauf mit dem Zug nach Baden und schlendern durch die Altstadt, es ist gerade Wochenmarkt. Allerlei leckere Sachen werden da feilgeboten. Schon am zweiten Bäckereistand können wir nicht mehr einfach vorbei, sondern kaufen uns eine Stärkung für unterwegs. Warum war ich noch kaum je in diesem Baden? So schön, dieses Städtchen!

Beim Überqueren der Limmat werden wir jäh wieder von der Realität eingeholt. Ein mörderischer Verkehr herrscht hier und es stinkt dementsprechend. Nur weiter, hoch zur Lägern! Dazu müssen wir zuerst rund 500 Treppenstufen überwinden. Zwischendurch nehmen wir aber eine Sitzbank mit Blick auf Baden in Beschlag, um unsere feinen Gebäcke zu essen. Wir blicken auf Wettingen: Gesichtslose Agglomeration von hier aus gesehen, nicht weiter erwähnenswert. Beim Restaurant Schartenfels beginnt der Grat. Noch einmal wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Tour ausgesetzt ist und Trittsicherheit verlang.

Da sind wir gespannt. Der Weg beginnt auch gleich felsig, es ist das typische Juragestein. Kein Wunder, die Lägern ist ja auch der östlichste Ausläufer des Kettenjuras. Die Sonne scheint wunderbar vom Himmel, es ist schön warm. Viel zu warm für die Jahreszeit. Trotzdem geniessen wir es, im T-Shirt zu wandern. Ein weiterer Vorteil dieser Jahreszeit sind die kahlen Bäume, die die Sonne durchlassen. Auf der rechten, sonnenzugewandten Seite finden wir eine Trockenvegetation vor mit Eichen, links, auf der Schattenseite, dominieren Buchen. Zwischendurch gibt es immer wieder grössere Abschnitte ohne Bäume, so dass wir die Aussicht geniessen können. Links blicken wir auf Ennetbaden, rechts auf Wettingen.

Und dann kommt so eine erste Stelle, die aber problemlos zu meistern ist. Auf der einen Seite geht es schon deutlich runter, auf der Sonnenseite ist ein steiler Abhang. Mangels Bäumen können wir dafür die Aussicht geniessen. Auf schmalem Pfad gehen wir weiter, er ist wieder gesäumt von Eichen und Sträuchern. Unterwegs treffen wir auf eine Eidechse und wir hören Grillen zirpen. Eigentlich müssten die um diese Jahreszeit längst in der Winterstarre sein. Auch Glockenblumen blühen immer noch, als wäre es Sommer. Abwechslungsreich geht es weiter, mal durch Wald, mal wieder auf dem Grat.

Und dann kommt wohl die schwierigste Stelle: Ein langer, schmaler Felsgrat. Wenn man die Beschreibung auf wandersite.ch und die Tafel zu beginn liest, müsste man spätestens jetzt weiche Knie bekommen. Tut man wahrscheinlich auch, wenn man sich solches Gelände nicht gewohnt ist. Die Tafeln stehen zu recht an beiden Enden des Grates, sie sollen unbedarfte Spaziergänger davon abhalten, diesen Weg zu wählen. Wenn man allerdings trittsicher und ein erfahrener Berggänger ist, wird man diesen Abschnitt nicht als Herausforderung ansehen, sondern als Genuss. Und genussreich ist es denn auch, wunderbar lässt sich da über die Felsen balancieren. Und diese Aussicht! Jura, Schwarzwald, Alpen, Mittelland, ein (beinahe) 360°-Panorama bietet grossartiges Kino.

Nach diesem Teilstück ist es vorbei mit Fels, wir wandern nach einer Pause wieder in normalem Buchenwald. Begegneten wir bis jetzt eher wenigen Leuten, ändert sich das nun. Vom Lägernsattel nimmt die Zahl der Wanderer massiv zu. Man merkt den Einfluss von Downtown Switzerland (so nennt sich Zürich gerne). Viele Leute, viel Lärm, ob vom Strassen- oder vom Luftverkehr. Wir sind uns so viel Rummel nicht gewohnt, sind wir doch vielfach ganz alleine unterwegs. Zudem scheinen noch Jäger unterwegs zu sein, ein Hund hetzt ein Reh über den Grat, immer wieder hört man Schüsse.

Wir erreichen den ersten Gipfel, das Burghorn. Dort können wir nochmals in aller Ruhe das Panorama bewundern. Man sieht vom Säntis bis zu Eiger, Mönch und Jungfrau, davor den Zürichsee und den Üetliberg, wo wir im August auf Biketour waren. Irgendwo dazwischen ist auch der Speer, der höchste Nagelfluhberg Europas. Auf der anderen Seite blickt man in den Schwarzwald, und links davon auf den Villiger Geissberg mit dem markanten Steinbruch. Und hinter dem Wald versteckt sich das Neeracher Ried. Erstaunlich, wie nah alles beisammen ist, obwohl man jeweils das Gefühl hat, lange Strecken zurückzulegen.

Nach der Pause wandern wir weiter, immer nach Osten. Ein zweiter Gipfel folgt, Altlägeren, wo auf dem höchsten Punkt eine Ruine steht. Die Burg wurde im 13. Jahrhundert gebaut und noch vor 1300, vermutlich während der „Regensberger Fehde“, wieder zerstört. Kurz darauf erreichen wir das Restaurant Hochwacht, das uns höchst willkommen ist. Zuerst geniessen wir aber nochmals die Aussicht von einer Plattform. Diesmal erblicken wir auch den Flughafen Kloten. Dazu gehört auch die Radaranlage, die sich gleich hier neben dem Restaurant befindet.

Nun geht es weiter nach Regensberg, einem mittelalterlichen Städtchen. Darauf habe ich mich schon lange gefreut. Beim Schlendern durch das Städtchen bin ich dann trotzdem ein kleines bisschen enttäuscht. Ich kann aber nicht genau sagen, woran es liegt. Ist es, weil es wenig belebt ist? Die fehlenden Strassencafés? Schön ist es schon, und man hat auch von hier wieder eine grossartige Aussicht, diesmal gegen Osten, der bis jetzt auf der Lägern vom Wald verdeckt war.

Nun haben wir noch den steilen Abstieg nach Dielsdorf vor uns. Da treffen wir nochmals auf ein ungewöhnliches Phänomen: Bei Tageslicht flattern Fledermäuse am Himmel! Auch diese sollten jetzt eigentlich im Winterschlaf sein oder sich zumindest bereit machen dafür. Durch Rebberge und Schrebergärten gelangen wir nach Dielsdorf und erreichen den Bahnhof. Inzwischen hat sich auch die Sonne verabschiedet, und der Abend bricht herein. Und wir sind uns einig: Diese Tour ist grossartig, gerade wegen dem ausgesetzten Grat.

Infos

Start: Baden AG
Ziel: Dielsdorf ZH
Strecke: Baden – Lägern – Regensberg – Dielsdorf
Distanz: 14 Kilometer
Höhenmeter: 580 Meter Aufstieg, 530 Meter Abstieg
Dauer: 4 Stunden
Schwierigkeit: T3, mit trittsicheren Kindern machbar
Höhepunkte: Grat, Aussicht von diesem auf Schwarzwald, Jura, Alpen und Mittelland
Alternative: Wer nicht absolut trittsicher ist, sollte die Variante links herum machen auf dem offiziellen Jura-Höhenweg (von Baden aus gesehen).

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