Wir sind schon einigen Flüssen entlang gefahren: Rhein, Aare, Inn, immer in mehreren Etappen. Die Reuss ist dafür zu kurz: Der Urner Reuss entlang, von Andermatt bis Flüelen, ist nicht wirklich attraktiv in dem engen Tal, das bekanntlich vom Autoverkehr dominiert wird. Nachdem der Fluss bei Luzern wieder aus dem Vierwaldstättersee tritt, ist es nicht mehr soooo weit, bis er in die Aare mündet. Von uns aus also eine ideale Tagestour.

Fast hätte die Tour abgeblasen werden müssen, es bahnte sich eine Katastrophe an: Fabian findet den Kilometerzähler nicht! Zum Glück taucht er in seinem neuen Bikerucksack in einem der vielen Fächer auf, so dass wir doch noch nach Beinwil am See fahren können. Dort nehmen wir den Zug nach Emmenbrücke, einem Vorort von Luzern. Den Weg durch die Stadt ersparen wir uns also und fahren vom Bahnhof direkt an die Reuss, ohne eine Strasse zu queren. Nun wird man aber als Velofahrer in die zweite Reihe verbannt, der Weg direkt am Fluss gehört den Spaziergängern. Na gut, fahren wir halt zwischen Wald, Feld und Siedlung.

Velofahren in der zweiten Reihe

Unspektakulär die Route, aber schön, um einfach vor sich hin zu velölen, der Weg ist einfach flach, was in der Schweiz ja bekanntlich nicht so oft der Fall ist. Bei Gisikon überqueren wir die Reuss und biegen gleich in einen Singletrail ein. Zu Hause die Karte gut zu studieren lohnt sich. Nun sind die Kinder nicht mehr zu halten, sie jagen über den schmalen Pfad, dass ich kaum mehr folgen kann. Sogar einen Northshore kann ich ihnen noch bieten. So geht das einige Kilometer.

Pause in der Besenbeiz

Bei einer Eisenbahnbrücke ist dann Schluss, weiter dem Fluss entlang ist ein Fahrverbot. Wir müssen nun also der Herzroute folgen, die hier vorbei führt. Und unser Herz wird nun auch gleich mächtig gefordert: Eine Rampe mit 20 % Steigung führt nach Meisterswil hoch. Das ist das eine, das andere ist der Einachser, der gleich vor uns hochfährt und grauenhaft stinkt. Oben ist aber alles vergessen, wartet doch eine Bauernschenke, eine sogenannte Besenbeiz, die jeweils offen hat, wenn der Besen draussen steht. Wir haben schon vorher von einem Kaffee geträumt, wir lassen uns also die Gelegenheit nicht nehmen und holen das Erträumte nach. Wir studieren die Karte und stellen fest, dass unsere Tour durch vier Kantone führt: Luzern, Zug, Zürich und Aargau. Die Kinder nennen sie deshalb „Papas 4-Kantönli-Velotour“.

Störche am Wegesrand

Wir setzen unsere Fahrt fort, da fallen doch tatsächlich Tropfen vom Himmel! Das ist aber schnell vorbei, wir fahren hinunter in die Ebene unterhalb Hünenberg. Nun würde der Radweg der Hauptstrasse entlang führen, was ich nicht so idyllisch finde. Ich habe deshalb einen anderen Weg eingeschlagen, wir fahren über Felder und durch Wälder, abseits jeglichen Verkehrs. Erst bei Felderen treffen wir wieder auf den Weg der Route 77 „Rigi-Reuss-Klettgau“, die nun auch abseits des Verkehrs verläuft. Auf einem Feld steht ein Trupp Störche, die sich wohl bereit machen für den Zug in den Süden. Oder einfach nur gemeinsam Gefiederpflege betreiben.

Weiter geht die Fahrt durch bäuerliche Landschaften, immer ebenaus. Erst bei Bützen treffen wir wieder auf eine Strasse, der wir nun bis Maschwanden folgen müssen, wo uns ein leichter Schauer empfängt. Dort erwartet uns der zweite steile Aufstieg der Tour. Eigentlich will ich anschliessend hinunter fahren zum Lorzespitz, wo die Lorze in die Reuss mündet. Aber der Weg dorthin ist mit einem „schönen“, grossen Fahrverbot belegt. Pfff, müssen wir halt hoch zur Strasse.

Regen in der Innerschweiz

In der Ferne, in der Innerschweiz, regnet es sichtlich, bald darauf auch bei uns, schon wieder. Dafür dass die Regenwahrscheinlichkeit fünf Prozent betragen soll, regnet es also schon ziemlich häufig. In rasanter Fahrt erreichen wir Obfelden und überqueren dort die Reuss und fahren weiter dem Fluss entlang, kommen an Neuland vorbei (das heisst so, hat nichts mit dem Internet zu tun) und legen nach Ottenbach mal eine Pause ein. Diese brechen wir unvermittelt ab, als es schon wieder zu regnen beginnt. Das sind also schon deutlich über fünf Prozent, liebes SRF Meteo!

Einer mehr

Unser nächstes Ziel ist die Werdbrücke beim gleichnamigen Weiler. Dort haben wir abgemacht mit jemandem, den wir gar (noch) nicht kennen. Michael, ein Twitterer, hat sich tags zuvor spontan gemeldet, ob er auch ein Stück mitfahren könne. Natürlich kann er! Man bekommt in den Sozialen Medien ein Gespür dafür, wer ungefähr die gleiche Wellenlänge hat und wer nicht. Und bei Michael war ich mir sicher, das passt. Punkt eins sind wir an der Brücke, er wartet schon. Und mit ihm die Sonne, die uns fortan begleitet. Gemeinsam fahren wir weiter nach Rottenschwil und Hermetschwil und nach Bremgarten, dem schönen Mittelalterstädtchen der Habsburger. Eine ideale Gelegenheit für eine Pause und um zu plaudern.

Von den Habsburgern zu den Lenzburgern

Weiter geht es auf dem Radweg durch die Dörfer des Reusstals. Bei Niederwil verlässt uns Michael wieder. Danke für die Begleitung, war uns eine Freude! Nesselnbach und Tägerig heissen die nächsten Orte. Wir wollen noch durch Mellingen, ebenfalls ein Habsburgerstädtchen, das so klein ist, dass man angeblich, wenn man beim einen Stadttor stolpert, beim anderen mit der Nase aufschlägt. So ist es auch schnell durchquert, wir wenden uns nun von der Reuss ab und Lenzburg zu.

Wir durchqueren Mägenwil und Othmarsingen, dann taucht das Schloss Lenzburg auf. Das Ziel ist somit nicht mehr weit. Die Radwege hier sind wirklich noch gut angelegt, man fährt weit weg vom Verkehr über Land. Noch ein Blick ins Freiamt, unter dem Schloss durch und wir sind in der Altstadt, wo wir allerdings auch nicht verweilen, weiter zum Bahnhof, Billette lösen, einsteigen – und der Zug fährt ab. Das war perfektes Timing und passte zur ganzen Tour. Entspannt, müde und mit vielen neuen Eindrücken fahren wir nach Beinwil am See.

Infos

Die Tour ist meistens eben, die wenigen Steigungen lassen sich auch mit schieben bewältigen. Sie ist sehr gut geeignet für Kinder, allerdings sind die Abbruchpunkte zu beachten.

Start: Bahnhof Emmenbrücke
Ziel: Bahnhof Lenzburg
Strecke: Emmenbrücke – Gisikon – Hühnenberg – Maschwanden – Obfelden – Rottenschwil – Hermetschwil – Bremgarten – Niederwil AG – Tägerig – Mellingen – Mägenwil – Othmarsingen – Lenzburg
Distanz: 69 Kilometer
Höhenmeter: 600 Meter
Dauer: 5 Stunden
Schwierigkeit: Leicht
Höhepunkte:
  • Maschwander Ried
  • Stille Reuss
  • Bremgarten
  • Mellingen
  • Lenzburg
Alternative: Bis Rotkreuz kann man die Tour abbrechen und den Zug zurück nehmen. Danach gibt es erst wieder in Bremgarten einen Zug.

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