Am und im Wasser herrscht vielfältiges Leben. Der Aargau als Wasserkanton hat hier einige interessante Naturräume, die es sich zu erkunden lohnt. Nach dem Flachsee und der Stillen Reuss haben wir zwei weitere davon besucht, das neue Auenschutzgebiet „Chly Rhy“ (Kleiner Rhein) und den Klingnauer Stausee.

Am „Chlyne Rhy“

2015 wurde nach längerer Bauzeit der „Chly Rhy“ (fast) wiederhergstellt. Dieser Seitenarm des Rheins bei Rietheim war während vieler Jahre vom Rhein abgeschnitten, das Land urbar gemacht. Ein Teil sollte nun der Natur wieder zurückgegeben werden. Der Seitenarm wurde wieder an den Rhein angebunden und verschiedene Massnahmen zur Wiederherstellung der Auen ausgeführt. Damit wurde der „Chly Rhy“ ein Musterbeispiel für eine gelungene Renaturierung. Klar, dass wir uns das mal anschauen mussten, zumal wir zur Eröffnung eingeladen waren und hinfahren konnten.

Dafür eignete sich Pfingsten prima, obwohl die Wetteraussichten nicht gerade optimal waren. Der Samstag war noch teilweise nass, so dass wir erst am Nachmittag nach Zurzach fuhren. Aber noch nicht zu Beobachtungszwecken, sondern zum Entspannen im Thermalbad. Muss auch mal sein. Nach dem Bad fahren wir weiter ins Nachbardorf Rietheim, wo wir die Unterkunft beziehen und im örtlichen Restaurant essen. Der Abend ist aber noch jung, so dass wir einen ersten Spaziergang ins Gebiet unternehmen. Gemütlich schlendern wir zum Chly Rhy, bewundern die neue Brücke darüber.

Aussicht vom Bunker

Interessieren tut uns aber der Bunker, den man von weitem sieht. Im Zweiten Weltkrieg war er Teil der Befestigungsanlage am Rhein, heute dient er als Beobachtungsplattform. Die Schiessscharte für die Kanone ist nun mit Holzklötzen aufgefüllt und dient als Bienenhotel. Eine andere Variante von „Schwerter zu Pflugscharen“. Wir stehen nun auf der Plattform und schauen auf den hoch gehenden Rhein. Nach den intensiven Niederschlägen der Vortage und der Schneeschmelze ist ziemlich viel des Geländes überschwemmt, was aber Auen auszeichnet.

Biber in Sicht!

Plötzlich ruft Silvan: „Dort, ein Biber!“ Tatsächlich schwimmt ein kleiner Biber am diesseitigen Ufer. Wir schlendern noch etwas weiter und entdecken auf der anderen Uferseite zwei weitere Biber, grosse Exemplare. Da wir „nur schnell einen Spaziergang“ machen wollten, hatten wir leider keinerlei Vergrösserungsoptik dabei. Es wird sowieso allmählich dunkel, wir kehren wieder um.

An der „Eisvogelrennstrecke“

Am nächsten Morgen wandern wir zur zweiten neu erstellten Brücke und weiter dem Fluss entlang. Herrlich blühende Wiesen säumen den Weg. Blumen wie der Klappertopf, die Skabiose oder der Wiesensalbei, die man bei uns zu Hause kaum mehr findet, erfreuen uns. Gemäss Leporello sind wir an der „Eisvogelrennstrecke“, nur will sich keiner der blau schimmernden Juwelen zeigen. Aber das ist schliesslich das Spannende an Naturbeobachtungen, man sieht nicht immer das, was man erwartet, wird dafür von anderen, unerwarteten Entdeckungen überrascht.

Auf dem Weidenpalast

Wir gehen nun weiter zum sogenannten Weidenpalast, einem Aussichtsturm. Er wurde aus einheimischem Holz gebaut. Verschiedene Schulklassen der Region halfen beim Gestalten mit, ebenso ein Künstler. Vom Turm aus überblicken wir einen grossen Teich. Kolbenenten und Reiherenten schwimmen darin, ganz hinten, am anderen Ufer, ruht eine Gänsesägermutter mit fünf Jungen. Plötzlich ein scharfer Pfiff. Ein Eisvogel fliegt pfeilschnell übers Wasser und lässt sich auf einem Ast nieder. Es gelingt mir, das Fernrohr auf ihn zu richten, so dass alle noch einen Blick auf den blauen Vogel werfen können. Und schon fliegt er weiter.

Vom Turm weg führt ein Weg durch den Auenwald, man wähnt sich im Dschungel. Es zwitschert in den Bäumen und Sträuchern, dass es eine Freude ist. Am Fluss endet der Weg abrupt, draussen widersteht eine Insel dem reissenden Fluss. Ein Blick durchs Fernrohr lässt uns dort einen Flussuferläufer erblicken. Mit nervös wippendem Schwanz stochert er im Schlick.

Nun aber weiter zum Bunker, wir wollen schauen, wie es bei Tag aussieht. Er fügt sich dezent in die Landschaft ein, dank den Verkleidungen aus Holzstämmen. Wir blicken wieder von oben auf den Rhein. Das Wasser ist schon etwas zurückgegangen, geht aber immer noch sehr hoch. Wieder entdecken wir einen Flussuferläufer, von Bibern aber um diese Tageszeit natürlich keine Spur.

Vandalenakt?

Nun zur letzten Station, zu den Tümpeln. Was wie ein Vandalenakt durch einen Baggerfahrer aussieht, ist bewusst so erstellt. In den Spuren bilden sich Tümpel, die wieder austrockenen. Das ideale Laichgebiet für Gelbbauchunken, deren Kaulquappen sind so besser vor Fressfeinden wie Libellenlarven geschützt. Ein riesiger Sandhaufen scheint zum Spielen einzuladen, ist aber als Brutwand für Uferschwalben gedacht. Sie graben Röhren hinein, um dort, ebenfalls gut geschützt, ihre Jungen grosszuziehen. Ob sich hier jemals Uferschwalben ansiedeln, frage ich mich allerdings, steht der Sandberg doch gleich neben dem vielbegangenen und -befahrenen Wanderweg. In der Nähe steht ein Tisch mit Bank, ideal für eine Rast. Plötzlich ruft ganz in der Nähe ein Kuckuck. Wir schiessen alle hoch und gehen auf die Suche. Hoch oben in einer Pappel entdecke ich ihn, aber bevor ich ihn den anderen zeigen kann, wo er sitzt, fliegt er auch schon weiter.

Diesmal ist das Fernrohr dabei

Am Abend, in den letzten Sonnenstrahlen, gehen wir nochmals zum Bunker, um die Biber zu sehen. Tatsächlich, es dauert nicht lange, bis wir den ersten sehen. Diesmal haben wir alles dabei, das Fernrohr ist auf ein grosses Exemplar gerichtet, das sich ausgiebig der Fellpflege widmet. Bald kommt ein zweiter hinzu, nun verwöhnen sie sich gegenseitig. Weiter unten schwimmen weitere zwei Biber, die bald im Dickicht verschwinden. Die Weichholzaue hier entspricht genau den Anforderungen an den Lebensraum für den Biber. In den Sommermonaten ernährt er sich von Blättern, Trieben und krautigen Pflanzen, im Winter von der Rinde von Bäumen, die er fällt. Allmählich wird es dunkel, wir treten den Rückweg an. Nach so vielen schönen Erlebnissen legen wir uns glücklich ins Stroh und schlafen tief und fest.

Am Klingnauer Stausee

Am letzten Tag wollen wir ein weiteres Vogelparadies aufsuchen, den Klingnauer Stausee. Er wurde 1935 für das Kraftwerk Klingnau gebaut und entwickelte sich schnell zu einem Hotspot der Schweizer Vogelwelt, schon über 300 Vogelarten wurden hier beobachtet. Man kann den See auf einem Spaziergang umrunden, die Wege sind allesamt hindernisfrei. Entsprechend beliebt ist die Strecke bei Inlineskatern und Velofahrern.

Junior hat recht

Wir machen uns also auch auf zu diesem Ort und schultern wieder allerhand optisches Beobachtungsgerät. Der asphaltierte Weg führt direkt dem See entlang, aber Büsche verhindern eine gute Sicht darauf. Nur dann und wann gibt es eine Lücke in der Hecke, die den Blick frei gibt. Erst dann begreife ich, dass das Absicht ist, so haben die Vögel auch ihre „Privatsphäre“. Bei einer dieser Lücken können wir gut auf den See blicken, auf dem sich etliche Wasservögel tummeln. Ich mache aus: Gänsesäger, Kolbenente, Brandgans, Stockente, Schnatterente. Im Schlick ruht ein kleinerer Vogel. Fernrohr her! (Wegen dem gebrochenen Schlüsselbein lasse ich immer noch tragen, eine praktische Sache 🙂 ). Auf den Vogel gezielt und – jawohl, ein Flussregenpfeifer. Der Jüngste will auch sofort schauen. „Nein, das ist ein Sandregenpfeifer“, meint er bestimmt. Bestimmungsbuch her! Vergleichen. Tatsächlich, er hat recht. Daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen.

So viele Arten!

Am Himmel fliegen hunderte von Schwalben, es sieht beinahe aus, als wäre da ein riesiger Mückenschwarm. Es sind hauptsächlich Mehlschwalben und ein paar Rauchschwalben, wir haben aber das Gefühl, dass es darunter auch Uferschwalben hat, aber die fliegen so schnell, dass wir sie nicht sicher bestimmen können. Bei der nächsten Aussichtslücke brauche ich schon wieder das Fernrohr. Ein Watvogel mit langen roten Beinen stochert im Schlamm umher. Ein Rotschenkel! Oder ein Dunkler Wasserläufer? Wir diskutieren und ziehen das Bestimmungsbuch zu Rate – und kommen zum Schluss, dass es ein Rotschenkel sein muss. Hach, so spannend hier, auf den wenigen Metern so viele seltene Vogelarten entdeckt!

Gut Sicht vom Turm

Nur wenig weiter steht der zehn Meter hohe Klingnauer Beobachtungsturm, auf den wir nun steigen. Man hat eine gute Aussicht auf den See und die Landschaft. Viel mehr Vögel sehen wir von hier oben nicht, aber wir sind wenigstens im Trockenen, denn inzwischen hat leichter Regen eingesetzt (wir sind deshalb auch nicht auf die oberste Plattform gestiegen). Fasziniert schauen wir den Schwalben zu, die unentwegt um uns herumschwirren. Da in der Ferne bereits Donnergrollen zu hören ist, kehren wir wieder um.

Info

Übernachtung

Um gemütlich abends noch auf Biberbeobachtungstour gehen zu können, empfiehlt es sich, vor Ort zu übernachten (wenn man nicht gerade in der Gegend wohnt). Zurzach bietet da natürlich einige Hotels, wir bevorzugten es aber rustikal und fanden Unterschlupf auf dem Fäsackerhof von Christian & Daniela Schneider in Rietheim, die dort „Schlaf im Stroh“ anbieten. Ein grosszügiges Strohlager findet vor allem bei Kindern grossen Anklang. Ebenso auf Begeisterung stossen die vielen Tiere auf dem Hof: Ziegen, Katzen, Hühner, Rinder und so weiter. Damit man bei unfreundlichem Wetter nicht friert oder einfach um in der Wärme zu sitzen, gibt es einen grosszügigen Aufenthaltsraum mit Küche, die man für 5 Franken/Person benützen kann. Die Auen sind vom Fäsackerhof aus in einer Viertelstunde zu Fuss erreichbar. Alles in allem waren wir dort bestens aufgehoben bei den herzlichen Schneiders. Wer zufällig des Weges kommt und Lust auf einen Kaffee hat, kriegt von Daniela Schneider gerne einen angeboten, wenn sie dort ist.

Auenschutzgebiet „Chly Rhy“

Aue „Chly Rhy“ auf Pro Natura

Klingnauer Stausee

www.klingnauerstausee.ch

Der Beobachtungsturm hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag:
Klingnauer Beobachtungsturm auf Wikipedia

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