Tag 2 des herrlichen Auffahrtswochenendes, ich musste mir wieder etwas einfallen lassen. Da ich immer noch sehr beschränkt mobil war, bot sich ein Naturbeobachtungsrundgang an. Warum also nicht wieder mal ins schöne Aargauer Reusstal? Alle waren dabei, wir packten alles ein, was es zum Beobachten braucht: Feldstecher, Fernrohr, Fotoapparat, Bestimmungsbuch.

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Das Ziel war die Stille Reuss bei Rottenschwil. Still deshalb, weil es sich bei dem Gewässer um einen Altarm des Flusses handelt, der bei der Melioration in den 1970er Jahren abgeschnitten wurde. Vorher mäandrierte der Fluss durch die Ebene und sorgte immer wieder für Überschwemmungen. Um dem vorzubeugen, gab es verschiedene Pläne, unter anderem sollte der Fluss vollkommen begradigt und durch verschiedene Kraftwerke genutzt werden. Das Land sollte grösstenteils landwirtschaftlich genutzt werden, für die Natur blieb fast kein Platz mehr. Zum Glück wehrten sich visionäre Vordenker für die Natur. So entstand die heutige Landschaft. Der Fluss ist zwar jetzt auch ziemlich gerade, aber der Natur wurde mehr Platz zugestanden, insbesondere am Flachsee, der 1975 gebaut und zu einem Vogelparadies, einem SMARAGD-Gebiet, wurde.

Ein grosser Käfer im Wasser

Wir starteten den Rundgang um die Stille Reuss beim Parkplatz bei der Brücke Rottenschwil. Vogelgezwitscher allerorten drang an unsere Ohren. Die meisten konnten wir bestimmen, einige interpretierten wir falsch. Einer tönte wie eine Heuschrecke. Erst zu Hause stellten wir fest, dass es sich wohl um einen Feldschwirl gehandelt haben muss, der da so intensiv zirpte. Die Wiesen stehen nun in voller Blüte, der sonst selten gewordene Wiesenbocksbart entfaltet hier überall seine gelben Blüten. Mehrere Teiche erlauben einen Blick in die Wasserwelt, ein Steg macht das Beobachten noch einfacher. Die Kinder entdeckten nebst Fröschen Gelbrandkäfer, eine Art, die man sonst kaum noch antrifft. Fasziniert schauen wir diesen grossen Käfern zu, die Hinterbeine wie Paddel haben. Ab und zu tauchen sie auf und strecken ihr Hinterteil aus dem Wasser, um Luft zu atmen. Sie leben räuberisch und ernähren sich von Insektenlarven, Kaulquappen und sogar kleinen Fischen.

Im Auenwald ertönte der Ruf des Kuckucks, einem Vogel, der leider auch immer seltener wird. Eine Hochspannungsleitung durchquert die Landschaft. Auf mehreren Masten thronen Horste von Weissstörchen, die hier noch (oder wieder) ziemlich zahlreich sind. Im Schilfgürtel am Gewässer ertönte ein kratzender, monotoner Ruf: Der Teichrohrsänger, ein typischer Bewohner diese Lebensraumes. Wenn man dessen Ruf einmal kennt, hört man ihn fast überall an Gewässern, wo es Schilf hat.

Baumfalkenalarm

Die weiten Ebenen des Reusstals erlauben einen wunderbaren Ausblick in die Innerschweizer Alpen, die ganze Bergprominenz erhob sich vor unseren Augen: Pilatus, Titlis, Rigi, Tödi und viele mehr. Die Rapsfelder blühten in strahlendem Gelb. Auf der Wiese hinter dem Altlauf staksten Storch und Reiher umher auf der Suche nach etwas Fressbarem, Kiebitze flatterten wie Schmetterlinge umher. Bei den Blässhühnern schwamm schon der Nachwuchs der Mutter hinterher, kaum waren sie geschlüpft.

Plötzlich tauchte am Himmel ein schlanker Vogel mit langen, schmalen Flügeln auf: Ein Baumfalke. Das sorgte in bei den kleineren Vögeln für Aufruhr, standen sie doch auf dessen Speiseplan. Später gesellte sich noch ein zweiter dazu, wahrscheinlich handelte es sich um ein Brutpaar. Am Ende des Altlaufes horchten wir nochmals dem Gesang des Teichrohrsängers. Aber war es wirklich ein Teichrohrsänger? Ich zweifelte. Zum Glück gibt es in der heutigen, modernen Zeit geeignete Progrämmli für die intelligenten Telefone. Ich horchte dort dem Gesang des Drosselrohrsängers und verglich – identisch, würde ich meinen! Auch Junior 2 war dieser Meinung. Der Weg zurück führte der Strasse entlang, nicht unbedingt ein grossartiges Erlebnis, aber zum Glück kurz.

Nach der Mittagspause orientierten wir uns auf die andere Seite, wo es zum Flachsee geht. Beim ersten Blick auf den See entdeckten wir zwei Grünschenkel – und irgend etwas, das im Wasser schwamm. Die nicht alle ganz Ernst gemeinten Vermutungen reichten von Biber über Nutria zu Anakonda bis Alligator. Ein Perspektivwechsel beim nächsten Ausguck brachte es an den Tag: Es handelte sich um grosse Karpfen, die dort im seichten Wasser nach Nahrung suchten. Der nächste Halt war im Hide. Knäkente, Bruchwasserläufer, Krickenten und Seidenreiher waren dort die Höhepunkte. Noch schnell bis zum Aussichtshügel, wo man Kormorane, Möwen, Kiebitze, Löffelenten und mehr beobachten konnte, danach kehrten wir zurück.

 Info

Eher ein Spaziergang als eine Wanderung, trotzdem kann man mindestens einen halben Tag dort verbringen.

Infoblatt 

Start: Brücke Rottenschwil
Ziel: Brücke Rottenschwil
Strecke: Rund um die Stille Reuss, dem Flachsee entlang. Die Wanderung am Flachsee kann auch zur Rundwanderung ausgeweitet werden, indem man beim Kloster Hermetschwil die Reuss überquert und auf der anderen Uferseite den Rückweg antritt.
Distanz: individuell, man kann jederzeit umkehren
Höhenmeter: absolut flach, geeignet für Kinderwagen und Rollstühle
Dauer: individuell, jenachdem, wieviel man beobachtet
Schwierigkeit: T1
Höhepunkte: Es gibt viele verschiedene Vogelarten und andere Tiere zu entdecken.
Ausrüstung: Ein Feldstecher und ein Vogelbestimmungsbuch sind eigentlich Pflicht in diesem Gebiet, sonst normale Wanderausrüstung.

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