Wir gönnten uns wieder einmal drei ganze Tage, wanderten durchs schöne Neckertal und beobachteten Vögel in Rapperswil und im Kaltbrunner Riet. Tönt langweilig? Pustekuchen! Es war ein verlängertes Auffahrtswochenende ganz nach unserem Geschmack. Das i-Tüpfelchen war das altehrwürdige Hotel Rössli in Mogelsberg.

Über den Seedamm nach Rapperswil

Das Wetter ist nicht gerade einladend, als wir in Pfäffikon aus dem Zug steigen, ein paar Tropfen fallen, der Himmel ist dunkel. Für den Weg über den Damm wird eine Stunde Wanderzeit angegeben. Wir stehen aber schon bald wieder, beide mit dem Fernglas vor den Augen, schliesslich müssen wir üben für unseren Feldornithologiekurs, den wir gerade absolvieren. Zwei Dutzend Graugänse grasen in der Wiese, Graureiher lauern Mäusen auf. Etwas weiter hören wir das unverkennbare Rufen des Kiebitzes, es tönt wie ein Computergame aus den 80er Jahren. Auf dem Acker erkennen wir aber nicht nur ausgewachsene Vögel, sondern auch ein paar Flauschebällchen! Ein gutes Zeichen für diese bedrohte Art. Weit hinten entdecken wir drei Grosse Brachvögel, die mit ihren langen, gebogenen Schnäbeln in der Wiese nach Nahrung stochern.

Der Holzsteg nach Rapperswil

Bei Hurden unterqueren wir Strasse und Bahn, entfernen uns aber zum Glück schnell von dieser Lärmquelle. Wir betreten den 2001 eröffneten, 841 Meter langen und 2,4 Meter breiten Holzsteg nach Rapperswil. Von dort hat man einen schönen Einblick in das Treiben auf und über dem See. Die Lachmöwen sind am brüten und verteidigen ihre Nester gnadenlos gegen jegliche Eindringlinge, was auch ein Schwan erfahren muss. Eine Besonderheit hier sind die Eiderenten, eine Art, die eigentlich auf dem Meer zu Hause ist, hier am oberen Zürichsee aber dank der Ausbreitung der Wandermuschel Fuss gefasst hat und auch brütet.

Unser Blick richtet sich immer häufiger gegen den Himmel, nicht nur wegen der Vögel, sondern auch wegen den dunklen Wolken, die immer dunkler werden. Nach einer Pause fallen die ersten Tropfen, schon bald schüttet es. Wir flüchten ins Trockene, genehmigen uns einen Kaffee und warten das Regenende ab, das auch bald kommt. Noch haben wir nicht alles gesehen, wir spazieren weiter dem See entlang. Der Himmel ist voller Schwalben und Segler, aber ebenso voller Mücken, ganze Wolken hängen bisweilen über dem Weg. So ist das also, wenn die Natur noch halbwegs intakt ist.

Ankommen in Mogelsberg

Wir fahren weiter mit dem Zug, rüber ins Toggenburg und weiter ins Neckertal, durch malerische Landschaften. Vom Bahnhof Mogelsberg sind es ungefähr zehn Minuten bis zum Hotel Rössli, einem altehrwürdigen Haus, das mindestens 300 Jahre alt ist. Und auch so tönt, die Dielen knarzen, die Treppe ächzt. Ein Haus mit Charme! Seit über 40 Jahren wird es von Sabine Bertin und ihrem Team geführt. Nach dem formidablen Essen aus regionalen, biologischen Produkten gehen wir nochmals vor die Türe, spazieren zum Baumwipfelpfad und geniessen den Sonnenuntergang.

Durchs schöne Neckertal

Da es erst um halb neun Frühstück gibt, starten wir spät zur ersten Etappe des Neckertaler Höhenweges. Diese startet in Mogelsberg und endet in Schönengrund. Der Himmel ist blau mit Schönwetterwolken, also bestes Wanderwetter. Wir nehmen den gleichen Weg wie gestern Abend hoch zum Baumwipfelpfad, wandern nun über Felder und durch Wälder. In diesem Hügelland geht es immer auf und ab. Einen ersten schönen Ausblick haben wir oberhalb Ebersol, wo wir die frisch verschneiten Alpen bewundern können.

Zwei Höhenpunkte auf einen Schlag

Von Ebersol her steigt der Weg an zum Gerensattel und weiter auf die Wilkethöchi, dem höchsten Punkt der Wanderung und auch dem aussichtsreichsten. Damit man ihn auch geniessen kann, laden geschnitzte Liegestühle zum Verweilen ein. Das nutzt die Frau aus, während ich das Panorama mit der Kamera festzuhalten versuche. Plötzlich lassen mich Rufe aufhorchen. Was sind denn das für Vögel? Die habe ich noch nie gehört! Sofort greife ich nach dem Fernglas, schaue in die Richtung der Rufe: Bienenfresser! Ungefähr zehn dieser farbenprächtigen Vögel fliegen unter uns durch. Die Frau kann gerade noch einen Blick erhaschen, dann sind sie auch schon weg.

Überdüngte Wiesen

Wir steigen ab zum Chubelboden, nur um auf der anderen Strassenseite wieder hoch zu steigen. Wir blicken auf Dicken zurück, das aussieht wie ein Puppenhausdorf. Umgeben ist es, wie jedes Dorf hier, von saftigen, grünen Wiesen. Was auf den ersten Blick wie heile Welt aussieht, entpuppt sich beim zweiten Blick als Naturarmut: Wie bei uns im Mittelland blühen nur „die Gelben“, Löwenzahn, Hahnenfuss und Pipau, was auf zu hohen Nährstoffeintrag hinweist. Kein Blau, kein Rot, kein Violette, keine Skabiose, keine Knabenkräuter, kein Wiesenbocksbart. Schade für diese einmalige Landschaft.

Wieder mal einkehren

Die Hochwacht lädt zu einer Rast ein, aus der Ferne grüsst der Bodensee. Bei der Landscheidi ändert der Höhenweg die Richtung, wir wandern auf dem nächsten Höhenzug wieder Richtung Westen, geniessen schöne Ausblicke auf das Säntismassiv und die Churfirsten im Toggenburg. Beim Restaurant Chäseren kehren wir ein, um unseren angestauten Durst zu löschen, es ist gefühlt seit Monaten das erste Mal, dass wir auf einer Gartenterrasse sitzen. Der Rest der Wanderung ist schnell erzählt, wir steigen ab zur Hauptstrasse und warten dort an der Bushaltestelle, dass wir aufgeladen und zurück nach Mogelsberg gebracht werden.

 

Start: Mogelsberg
Ziel: Schönengrund
Strecke: Mogelsberg – Baumwipfelpfad – Gerensattel – Wilkethöchi – Chubelboden – Hochwacht – Landscheidi – Chäseren – Stofel (Schönengrund)
Distanz: 17.4 Kilometer
Höhenmeter: 830 Meter
Wanderzeit: 4 ¼ Stunden
Schwierigkeit: T1
GPS-Track: Route 1. Etappe Neckertaler Höhenweg
Höhepunkte: Weg durch die Hügellandschaft, Aussicht

Zwischenstopp im Kaltbrunner Riet

Der dritte Tag ist bereits wieder Heimreisetag. Wir fahren aber nicht direkt nach Hause, sondern wir steigen in Uznach am oberen Ende des Zürichsees aus. Dort liegt das Kaltbrunner Riet, ein Hotspot für Vogelbeobachter. Unser erstes Ziel ist der Beobachtungsturm im Riet, von wo man einen guten Überblick hat über die davor liegende Sumpf- und Teichlandschaft. Schon auf dem Hinweg machen wir eine schöne Entdeckung: In einem Astloch gucken vier kleine Wacholderdrosseln hervor. Auf dem Baum sitzen zwei Grauschnäpper, die von ihrer Warte aus Insekten jagen. Vor dem Turm versperren uns Graugänse den Weg, sie führen Junge mit. Da macht man besser einen möglichst grossen Bogen, trotzdem fauchen sie uns an. Wir sind gerade so nah, dass wir die Hornlamellen, die Zähnen ähneln, deutlich sehen. Da versteht man sofort, dass die Vögel von den Dinosauriern abstammen.

Gute Aussicht vom Turm

Ein guter Grund, hierher zu kommen heute, ist ein Rallenreiher, der gesichtet worden ist. Als ich auf dem Turm die oberste Plattform erreiche, sehe ich ihn gerade noch weit entfernt an den Rand des Schilfs fliegen. Zwar steht er davor, aber er ist durch seine beige Farbe so hervorragend getarnt, dass er kaum zu sehen ist. Einiges näher sind die Rohrammern und Teichrohrsänger, die an den Schilfhalmen herumturnen. Auf dem Wasser kommt eine weitere Gänsefamilie daher geschwommen. Eine andere Gans kreuzt deren Weg, prompt wird sie heftig angegriffen und unter Wasser gedrückt. Graugänse kennen kein Pardon, wenn sie Junge mitführen. Im Schilf zirpt es wie eine Heuschrecke, aber anhaltend, ohne Unterbruch. Inzwischen weiss ich, dass es keine ist, sondern dass da ein Feldschwirl Werbung macht für sich.

Beim Entenseeli

Wir gehen weiter zur nächsten Plattform. Aber offenbar stören wir eine Bachstelze, sie landet auf dem Turm neben uns, möchte in ihr Nest. Irgendwann getraut sie sich. Wenn sie wüsste, dass wir ihr ganz sicher nichts tun und uns einfach nur freuen. Über dem Entenseeli fliegt eine Rohrweihe, auf der Rückseite des Turms ruft ein Kuckuck, kurz darauf entdecken wir ihn.

Ein netter Mann hat uns auf dem ersten Turm erklärt, dass wir auf die Asthaufen am Weg achten sollen, oftmals würden sich dort Ringelnattern sonnen. Wir schauen nun Haufen um Haufen an, entdecken aber keine Schlange. Da sehen wir einen anderen Mann, der in die Hecke starrt. Als wir näher kommen, macht er uns auf den Haufen aufmerksam. Darauf sonnt sich tatsächlich eine Ringelnatter. Am Kanal hoffen wir, wieder den Eisvogel zu sehen. Der ist nicht da, dafür pfeilen Uferschwalben übers Wasser.

Eine schöne Runde zum Abschluss. Schade, sind die Cafés nicht offen, so begnügen wir uns am Bahnhof halt mit einem Automatenkaffee. Und sind gespannt, was die Jungs drei Tage ohne uns gemacht haben, ob noch alles steht zu Hause.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.