Böse Zungen behaupten, im Aargau gebe es nur Autobahnen und AKWs. Selbstverständlich ist das eine glatte Lüge, es gibt auch viele Schlösser. Neun davon versuchte ich auf der Aargauer Schlössertour abzufahren.

Das Schöne an dieser Tour: Ich kann vor der Haustüre starten. Das heisst aber auch, zuerst mal über den Hügel ins beschauliche Ruedertal radeln, wo das Schloss Rued steht in – na wo wohl? – Schlossrued. Es scheint gerade kurz vor Schulbeginn zu sein, überall sind Kinder unterwegs. Zu Fuss.

Ursprünglich war das Schloss eine Burg, die den Herren von Ruoda, Ministeriale der Kyburger (nicht Kyburze), später der Habsburger, gehörte. Die Burg wurde 1775 bei einem Brand zerstört, 1792 bis 1796 wurde das heutige Schloss errichtet. Nachdem es beinahe zerfallen war, wurde es 2015 renoviert und kann heute für Seminare und Feste gemietet werden.

Zurück ins Wynental

Das Schloss liegt an meinem Weg, der nun abermals steil hoch führt zurück ins Wynental. Dort, in Teufenthal, steht das nächste Schloss, die Trostburg. Die Herren von Trostburg hatten praktisch die gleiche Geschichte wie die Herren von Ruoda, auch sie dienten den Kyburgern, danach den Habsburgern. Das Schloss ist heute in Privatbesitz.

Das Schloss Trostburg in Teufenthal
Schloss Trostburg in Teufenthal

Nur ein Eck weiter, auf der anderen Seite des Hügels, steht das Schloss Liebegg, das einem Zweig der Herren von Trostburg auf der anderen Seite gehörte. Somit ist auch die Geschichte ziemlich identisch. Seit 1946 ist das Schloss im Besitz des Kantons Aargau und dient als Tagungs- und Kulturzentrum.

Schloss Liebegg in Gränichen
Schloss Liebegg in Gränichen

Weiter geht die Reise nach nach Suhr und dort auf dem Radweg nach Lenzburg, wo ich eine Pause einlege. Lenzburg ist so etwas wie der Knotenpunkt der Tour, ich werde da noch ein zweites Mal vorbeikommen.

Das nächste Ziel ist das Schloss Wildegg. Ich muss über die schreckliche Kreuzung, dann durch Niederlenz. Aber da zweigt der Radweg rechts ab und ich bin weg vom Verkehr. Super! Ich hatte schon befürchtet, ich müsse auf der Hauptstrasse nach Wildegg fahren. Zwischen Niederlenz und Wildegg habe ich gleichzeitig noch eine schöne Sicht auf das Schloss. Ich kann sogar drei Schlösser gleichzeitig sehen, Lenzburg, Wildegg und das nächste, Wildenstein.

Im 13. Jahrhundert errichteten die Truchsesse der Habsburger hier eine Burg. Sie wechselte mehrfach den Besitzer, bis die Berner Herren das Lehen 1483/1484 an Kaspar Effinger gaben. Elf Generationen lang gehörte das Schloss der Familie. Mit dem Tod der letzten Vertreterin der Effinger ging das Schloss an die Eidgenossenschaft über, 2011 wurde es dem Kanton Aargau übergeben und beherbergt jetzt ein Museum.

An der Aare

Ich überquere die Aare und spure in den Uferradweg ein. Ich habe die Route auf dem GPS eingezeichnet, aber leider ein Detail übersehen. Mein Weg zweigt bald mal ab. Diese Abzweigung verpasse ich, so dass es eine Zusatzschlaufe gibt. Aber dann stehe ich doch noch vor Schloss Wildenstein, an dessen Mauer prominent das Berner Wappen prangt. Eine deutliche Ansage, wer hier das Sagen hatte. Die Besitzer änderten laufend, aber immer wieder hatte die Familie Effinger die Finger im Spiel. Aktuell ist es wieder in Privatbesitz und soll als Museum zugänglich gemacht werden. Vorerst wird es mal nur von Dohlen bewohnt, eine Kolonie ist hier beheimatet.

Die Stammburg der Habsburger

Ich fahre weiter der Aare entlang nach Schinznach Bad. Nun geht es aufwärts nach Habsburg. Ich finde einen Waldweg, der mich direkt auf die Hochebene führt. Schon von weitem erblicke ich das Schloss Habsburg, die Stammburg des einst mächtigsten europäischen Adelsgeschlechts. Wir waren bereits zweimal zu Fuss hier während einer Wanderung von Wildegg nach Habsburg und Brugg. Es ist jetzt aber auch Zeit für eine Pause, die ich am Geoweg auf Findlingen einlege. Da grüssen Brocken aus der Innerschweiz, die in der letzten Eiszeit ins Mittelland transportiert wurden.

Entgegen der früheren Bedeutung macht der Ort Habsburg einen beschaulichen Eindruck. Aber dafür haben sie eine nagelneue, enorm breite Strasse für die paar Leute, die hier wohnen, 423 genau Ende 2019. Gemütlich rolle ich abwärts, will nun, unten angekommen, auf meiner Route weiterfahren und rechts abbiegen.

Rein in den Horror

Da ist aber eine riesige Baustelle und verschiedene Verbotstafeln. Sind die nun gültig oder sind die nur dort deponiert? Der Postautofahrer, der mir entgegen kommt, weist mich mit nachdrücklichen Gesten darauf hin, dass die gültig sind. Fahre ich halt nach Brugg hinein. Ein Fehler, wie sich herausstellt. Ich lande auf der Hauptstrasse durch Brugg, flüchte mich in die Fussgängerzone, wo ich einen Moment durchatmen kann. Ich muss aber nach Windisch weiter, das geht offenbar nur auf der Hauptstrasse.

Zum Glück gibt es noch einen breiten Radstreifen. Der nutzt aber nichts, wenn ein riesiger Sattelschlepper von hinten kommt, den halben Streifen für sich beansprucht und zehn Zentimeter an mir vorbeidonnert! Ich muss weiter, fahre auf der Hauptstrasse, Auto um Auto, Lastwagen um Lastwagen fährt an mir vorbei. Ich halte am Strassenrand an um zu checken, ob es nicht eine andere Möglichkeit gibt. Nein, gibt es nicht. Leute, ihr wollt zurück zur Normalität. Ist dieser Wahnsinn eure Normalität??? Dann bleibe ich lieber im Ausnahmezustand, ganz ehrlich.

Schloss Nummer 8

Endlich kann ich wieder auf Nebenstrassen fahren, durch Lupfig und Birr ist es wesentlich ruhiger. Oberhalb Brunegg steht das gleichnamige Schloss. Dieses ist ebenfalls eine Gründung der Habsburger, die so die Südseite ihres Kernlandes, des Eigenamtes, absicherten. Das Schloss ist in Privatbesitz der Familie von Salis, der berühmteste Vertreter war Jean Rudolf von Salis, ein Historiker, der durch seine Weltchronik auf Radio Beromünster während des Zweiten Weltkrieges bekannt wurde.

Auf meinem weiteren Weg komme ich zum Bünztobel, in das ein steiler Weg hinunterführt. Mit dem Gravelbike ist die Sache nicht so einfach, ich hätte wohl einen weniger steilen Weg nehmen sollen. Aber ich komme unten an und unterquere parallel zur Bünz die Autobahn und die Bahnlinie.

Unterquerung von Autobahn und Eisenbahn
Unterquerung von Autobahn und Eisenbahn neben der Bünz

Wieder in Lenzburg

Bei Othmarsingen geht die Reise weiter, ich erreiche wieder mal einen Radweg, der mich nach Lenzburg führt, vorbei am weitherum sichtbaren Schloss. Ich durchquere zum zweiten Mal die Altstadt, fahre so ungefähr in die geplante Richtung. Auf meinem GPS sehe ich nur eine grüne Wiese, in natura ist da aber ein Weg und viele Wohnblöcke. Die Karte ist offensichtlich veraltet.

Zum schönsten Wasserschloss

Ich finde aber auf den Weg zurück, fahre nun dem Aabach entlang das Seetal aufwärts zum Schloss Hallwyl, dem schönsten Wasserschloss der Schweiz. Entgegen der Geschichte der anderen Schlösser war diese sehr konstant. Im späten 12. Jahrhundert wurde von den Herren von Hallwyl ein Wohnturm errichtet, der nach und nach zu einer Burg ausgebaut wurde. Trotz der Eroberung des Aargaus durch die Berner blieb die Burg im Besitz der Familie und wurde zum Schloss ausgebaut. Erst 1994 wurde es als Schenkung dem Kanton Aargau übertragen und ist heute öffentlich zugänglich.

Bis nach Hause ist es nicht mehr weit, aber ein letztes Mal steht mir ein langer Aufstieg bevor, wenn ich der Hauptstrasse ausweichen will. Also radle ich nach Leutwil hoch und von dort nach Birrwil, dann bin ich schon fast zu Hause, mit 94 Kilometern mehr in den Beinen und vielen Eindrücken im Kopf, positiven wie negativen.

Info

Ich startete vor der Haustüre, aber der ideale Ausgangspunkt ist Lenzburg. Dann ist das Schloss Hallwyl das erste Schloss, nicht das letzte. Wem das nicht genug ist, kann natürlich jedes Schloss einzeln anfahren, das ergibt dann etliche zusätzliche Kilometer und Höhenmeter.

Es gibt noch weitere Schlösser, zum Beispiel das Aarauer Stadtschloss oder das Klingnauer Schloss. Da bleibt dann die Definitionsfrage: Wann ist ein Schloss ein Schloss, oder anders, was ist ein Schloss?

Start und Ziel: Lenzburg
Strecke: Lenzburg – Schloss Hallwyl – Zetzwil – Schlossrued – Teufenthal – Lenzburg – Wildegg – Schloss Wildenstein – Schinznach Bad – Schloss Habsburg – Windisch – Brunegg – Othmarsingen – Lenzburg
Distanz: 79 Kilometer
Höhenmeter: 1180 Meter
Dauer: 5 – 8 Stunden (je nach Velo und Leistungsvermögen)
Kondition: schwer
Technik: leicht
GPS-Track: Aargauer Schlössertour
Höhepunkte: Neun Aargauer Schlösser
Alternative: Tour aufteilen

Relive ‚Aargauer Schlössertour‘

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