Bergsteigen, wellnessen, einen Viertausender besteigen. Und das mit der ganzen Familie. Tönt zu verlockend, ist aber möglich: Die Bergsteigerschule Höhenfieber bietet genau das an. Unterkunft im Wellness Hostel 4000 in Saas-Fee und Bergsteigerausbildung für die ganze Familie mit dem Viertausender Allalinhorn als Höhepunkt. Wir haben das Angebot getestet.

Familie Kyburz auf 4027 Meter über Meer
Familie Kyburz auf 4027 Meter über Meer

Einführung ins Klettern

Wir werden vom Bergführer Bruno Bösch und dem Bergführeraspiranten Marco Wüst-Steinemann empfangen. Sie müssen nun vier Familien mit ganz unterschiedlichen Vorkenntnissen fünf Tage lang fit machen für den (wortwörtlichen) Höhepunkt der Woche, das Allalinhorn (4027 müM). Nachdem alle das Kletter- und Bergsteigermaterial in Empfang genommen haben, begeben wir uns in den Klettergarten „Blindspot“ am Kapellenweg zwischen Saas-Fee und Saas-Grund, einem idealen Platz zur Einführung in die Faszination Klettern. Die einen lernen nun Knoten knüpfen, andere üben sie und dritte beginnen schon mal mit dem Klettern. Schon bald versucht sich jeder und jede in den verschiedenen einfachen Routen, bis uns ein Regenschauer zum Rückzug zwingt.

Im Klettergarten Furggstalden

Am zweiten Tag wird die Ausbildung in einem Klettergarten bei Furggstalden fortgesetzt, einem Weiler mit uralten Häusern. Die Bergführer zeigen, wie man einen Stand zum Sichern baut und wie man vorsteigt. Das Gelernte wird sodann eifrig umgesetzt. Die Routen in diesem Klettergarten sind ideal für Anfänger: Gut abgesichert, nicht steil. Für jene, die es gerne steiler haben oder eine neue Herausforderung brauchen, gibt es weiter oben zwei, drei weitere Routen, die ein wenig schwerer sind.

Auch das Abseilen kann hier bestens geübt werden. Die Anfänger merken, dass es schon eine gewisse Überwindung braucht, sich einfach ins Seil zu hängen. „Ich habe doch Höhenangst“, versucht sich Anna herauszureden. Bruno, der Bergführer, beruhigt sie: „Du schaffst das schon, einfach nicht nach unten blicken.“ Und wirklich, sie kann sich überwinden, langsam, aber stetig nähert sie sich dem sicheren Boden. Und ist erleichtert, wieder dort angekommen zu sein, aber auch stolz. Manch einer und eine musste sich in dieser Woche seinen Ängsten stellen und diese überwinden.

Rückweg über die Hängebrücke

Am Nachmittag lässt die Kletterbegeisterung nach, man macht sich individuell an den Rückweg nach Saas-Fee. Unsere Familie wählt den „Erlebnisweg“ nach Saas-Almagell: Ein Weg, gespickt mit Treppen, Leitern und Hängebrücken. Wobei ich manchmal das Gefühl habe, dass der Weg gesucht ist, nur um einen „Erlebnis“-Weg daraus zu machen. Aber interessant ist er trotzdem, etwas schwindelfrei sollte man schon sein.

Ab auf den Gletscher!

Das Wetter für den Mittwoch ist unsicher, so dass die Bergführer entscheiden, die Gletscherausbildung vorzuziehen. Diese ist nötig für das Allalinhorn, dort würden wir uns ausschliesslich auf Gletscher bewegen. Bruno kann mit der Bahn aushandeln, dass wir bei der Zwischenstation aussteigen können. Im Stollen ist es zugig, wir gehen so schnell wie möglich nach draussen. Doch auch der Hohlaubgletscher, auf den wir wollen, leidet unter der Klimaerwärmung, wir müssen zuerst über die Moräne absteigen, bis wir das Eis erreichen. An das Gehen mit Steigeisen müssen sich einige zuerst gewöhnen, aber nach meinem Wissen musste keine Hose geflickt werden.

Eine Eissanduhr bauen

An einem geeigneten Ort werden wir in die Geheimnisse des Sicherns im Eis eingeführt. Dazu braucht es zuerst mal Eisschrauben, Metallröhren mit einem Gewinde und einer Lasche. Diese werden ins Eis gedreht und halten garantiert für die Zeit der Verwendung. Mit einer Reepschnur oder einer Bandschlinge werden nun zwei Eisschrauben zu einem Stand verbunden. Und das hält wirklich? Wir machen die Probe aufs Exempel und lassen jemanden in die Gletscherspalte hinunter. Natürlich hält er, und so machen sich auch die anderen daran, einen zu bauen und die Spalte zu erkunden.

Und es gelingt!

Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten, einen Stand zu anzufertigen, zum Beispiel eine Eisbirne. Dabei wird ein hufeisenförmiger Graben aus dem Eis gehauen, in den dann das Seil gelegt wird. Allzu vertrauenswürdig ist das aber nicht, auch die Bergführer trauen dem nicht. Da ist die Eissanduhr schon sicherer: Mit einer Eisschraube wird im Winkel von 60° zur Eisoberfläche ein Loch gebohrt, im selben Winkel auch von der anderen Seite, so dass ein gleichschenkliges Dreieck entsteht. Die Crux ist nun, hier eine Reepschnur durchzufädeln. Gelingt das, kann man gefahrlos daran abseilen, muss aber ein Stück Schnur opfern. Dem Bergführer gelingt es aber nicht, die Schnur durchzuziehen. Als erster schafft es Fabian, nach und nach auch die anderen.

Ein Besuch in der Britanniahütte

Es geht weiter, wir haben noch einen längeren Weg vor uns, das Zwischenziel ist die Britanniahütte. Vorher üben wir aber noch das Steigeisengehen im steileren Gelände. Auf und ab, mit und ohne Pickeleinsatz. Auf dem unteren flachen Teil hat es keine Spalten mehr, wir können zügig voran gehen. Könnte man meinen. Bruno tritt trotzdem in eine Spalte, seine beiden Seilgefährten ebenfalls, zum Glück ohne Folgen. Am Rande des Gletschers können wir uns den Bergsteigerutensilien entledigen und steigen auf zur Britanniahütte, wo wir uns stärken. Wegen eines Irrtums verpassen wir beinahe die letzte Gondelbahn nach Saas-Fee, aber es reicht gerade noch. Bei unserem Gehetze können die beiden Steinböcke am Wegrand wohl nur den Kopf schütteln.

Am Drahtseil auf den Dreitausender

Heute steht die erste richtige Tour auf einen Gipfel an: Das Mittaghorn, 3143 Meter hoch, thront direkt über Saas-Fee. Vom Fenster der Jugendherberge aus können wir den ganzen Grat sehen, den wir hoch wollen. Mit der Felskinn-Bahn fahren wir bis Masten 4 und begeben uns über Stock und Stein zum Einstieg, der durch eine Schweizerfahne markiert wird. Hier ist auch nochmals ein idealer Platz für eine Pause. Weiter unten sehen wir um die 30 Gämsen.

Der Bergführer erklärt uns, wie die Klettersteigsets zu handhaben sind, und nach der Pause geht es los. Einklinken am Drahtseil und go! Ein farbiger Tatzelwurm hangelt sich hoch. Wir kommen problemlos vorwärts. Das wäre auch ein schöner Grat zum Klettern, denke ich mir. Dann wäre ich nicht so an dieses Drahtseil gebunden, könnte mir den Weg selber suchen (man merkt wohl, dass ich kein Freund von Klettersteigen bin). Macht man zu viele Klettersteige, könnte man glatt den Kletterinstinkt verlieren.

Schlechtes Beispiel

Zwischendurch gibt es auch interessante Stellen, etwa eine zehn Meter hohe, fast senkrechte Wand, oder eine ausgesetzte Stelle unter einem Dach durch und um die Ecke hoch. Fast senkrecht unter uns liegt Saas-Fee. Am Tag zuvor hat uns Bruno eingeschärft, dass man NIEMALS sich selber ein Klettersteigset aus Bandschlingen basteln darf, da diese bei einem Sturz keinerlei Energie absorbieren, und dass immer ein Helm auf den Kopf gehört. Und was treffen wir an auf dem Grat? Drei komische Sachsen, einer mit einem Filzhut, die beiden anderen mit nichts auf dem Kopf, und alle mit Bandschlingen „gesichert“! Auch deshalb finde ich Klettersteige problematisch, sie locken Leute an, die gar nicht hier hin gehören.

Wir kümmern uns nicht weiter um diese Pseudo-Alpinisten, sondern konzentrieren uns auf unseren Weg, der bald auf dem Gipfel endet (zumindest vorerst). Nach einer ausgiebigen Gipfelrast nehmen wir nochmals die ganze Konzentration zusammen für den langen und steilen Abstieg nach Plattjen, wo wir die Gondelbahn nehmen können, die dank dem „Bürgerpass“ gratis ist. Zwischendurch erfreuen wir uns an Steinböcken mit ihren Jungen.

Auf zum Höhepunkt!

Viertausend. Unter Alpinisten ist das eine magische Zahl. Man fragt nicht, wie viele Dreitausender hast du schon bestiegen. Nur die Viertausender zählen, mag er auch noch so einfach sein. Das Lagginhorn (4010 müM) auf der anderen Talseite hat viel mehr Prestige als das Fletschhorn gleich daneben, das halt leider Gottes nur 3985 Meter hoch ist, obwohl beide ähnlich schwierig (oder einfach) sind. Auch wir wollen uns ein Scheibchen Ruhm abschneiden, zumal dieser Viertausender fast geschenkt ist (aber nur fast!).

Nicht unterschätzen!

Mit der Metro Alpin fährt man bequem zum Mittelallalin auf 3457 müM. Normalerweise fallen Skifahrer im Sommer auf wie bunte Hunde, aber hier und jetzt gehen wir fast unter zwischen den vielen Skifahrern, von denen die meisten zu irgendwelchen Nationalteams gehören, die hier trainieren. Wir machen uns bereit in der Bergstation, geschützt vor dem kalten Wind. Auf den Pisten ist das Gehen noch locker. Als diese fertig sind, seilen wir uns an. Den Weg zu finden ist nicht schwer, wir sind nicht ganz die ersten, die aufs Allalinhorn wollen. Langsam steigen wir hoch, durch Abbrüche hindurch, über Schneebrücken hinweg, immer im sicheren Abstand zu Séracs. Das Allalinhorn ist zwar einer der leichtesten Viertausender, aber trotzdem nicht zu unterschätzen.

Das Allalinhorn soll nur mit guter Ausrüstung und der notwendigen Ausbildung oder einem Bergführer in Angriff genommen werden!

Der Viertausender ist geschafft!

Dass der Weg nicht ohne ist, zeigen uns die Löcher in der Schneedecke, durch die man in die Spalten blickt. Es könnte also auch hier zu einem Spaltensturz kommen, wenn man nicht vorsichtig ist. Im Feejoch auf 3800 Meter ist Zeit für eine Pause. Gleichzeitig blicken wir auf all die Viertausender um Zermatt: Monte Rosa, Rimpfischhorn, Breithorn, Matterhorn, Dent d’Hérens, Dent Blanche und viele mehr. Nun trennen uns nur noch 200 Höhenmeter vom Gipfel. Geradezu beflügelt streben wir diesem entgegen. Noch über den schmalen Schlussgrat, dann sind wir oben. Geschafft!

Wir geniessen das gewaltige 360°-Panorama. Einfach überwältigend, so hoch oben zu stehen. Trotzdem fragen unsere Kinder erstaunt: „War das alles?“ Na ja, das ist eben ein einfacher Berg – bei guten Verhältnissen. Aber da ist noch sehr viel Luft nach oben bezüglich Schwierigkeit, aber nicht jetzt. Geniessen wir einfach. Allmählich wird es aber Zeit für den Abstieg. Nochmals eine kurze Pause im Feejoch und zurück zum Mittelallalin. Auf den Pisten ist inzwischen nichts mehr los, die Skifahrer sind wieder nach Saas-Fee zurückgekehrt. Und wir tun es ihnen gleich.

Unten ist es sommerlich warm, aber nicht so heiss wie im Haupttal, wo es 30 Grad sein soll. Geniessen wir es also hier in Saas-Fee. Aber nicht lange (jedenfalls die anderen nicht), denn die Tourenwoche ist zu Ende. Und damit auch fantastische, unvergessliche Tage in den Bergen.

Bonuswanderung zum Steinwild

Wir haben die Freiheit, noch zwei Nächte in der Jugendherberge bleiben zu können, allerdings nicht im gleichen Zimmer (dafür ein dickes Minus in der Bewertung der Jugi). Wir nutzten den schönen Samstag für eine Wanderung auf dem „Steinwildpfad“. Dieser versprach Steinwildsichtungen, jedoch ohne Garantie.

Nochmals den Bürgerpass nutzend, fahren wir hoch zur Station Hannig. Sanft steigt der breite Weg an, wir blicken auf die Viertausender rund herum, geradeaus das Allalinhorn. Aber wir schauen nicht nur in die Ferne, sondern auch, was zu unseren Füssen blüht. Mit unserem zwar dicken, aber trotzdem nicht dafür geeigneten Buch „Handbuch Schweizer Alpen“ kommen wir nicht weit. Wir treffen auf drei Hobbybotaniker, die schon von Grund auf ein viel grösseres Wissen haben und uns entsprechend Auskunft geben können. Etwas weiter flattern Vögel hin und her: Steinschmätzer, wie uns der nette ältere Herr bestätigt.

Ein gemütlicher Gipfel

Wir erreichen bald den ersten Gipfel – im Vergleich zu gestern einen Hügel -, den Mällig, gerade mal schlappe 2700 Meter hoch. Aber er bietet eine prächtige Aussicht und ist ideal für eine Pause. Wir blicken in die schöne weisse Nordwand der Lenzspitze, die ich mal besteigen wollte mit einem Kollegen. Zum Glück stimmten die Verhältnisse nicht, ich weiss nicht, ob das gut herausgekommen wäre. Schön, diese Wanderung: Weder überlaufen noch durch Bahnen verschandelt. Wir wandern weiter über eine weite Ebene, die sich „Senggflüe“ nennt. Von Flühen ist hier aber nichts zu sehen. Am Ende dieser Ebene steht ein steiler Abstieg bis zur Waldgrenze. Nach einer kurzen Pause wandern wir auf dem „Alpenpässeweg“ zurück nach Saas-Fee durch einen zauberhaften Lärchen- und Arvenwald. Auch wenn wir keine Steinböcke gesehen haben, es war eine vortreffliche Wanderung, die ich sehr empfehlen kann.

 

 

Noch mehr Bilder gibt es auf Flickr.

Das Wellness Hostel 4000

Schon von aussen sieht man sofort: Diese Jugendherberge hat nichts mehr gemein mit den muffigen Herbergen vor 30 Jahren. Edel sieht sie aus, und edel ist auch das Innere. Es gibt eine richtige Lobby, daneben das „Bistro 4000“ mit einer gemütlichen Lounge. Für das Essen muss man zwar immer noch anstehen, der Esssaal ist aber nicht kasernenhaft, sondern sehr einladend mit einer grosszügigen Scheibenfront, die den Blick auf die Berge freigibt. Das Essen ist übrigens sehr gut, das Frühstück reichhaltig.

Und wie schläft man? Jedenfalls nicht mehr wie früher in muffigen Schlafsälen, sondern in Vierzimmern, in den Familienzimmern sogar mit Doppelbett. Da ist die zimmereigene Toilette und Dusche schon fast selbstverständlich. In der Übernachtung inbegriffen ist der Besuch des Hallenbades, wer die grosszügige Wellnessoase nützen will, zahlt einen Aufpreis. Dafür hat man in der Sauna die Möglichkeit, durch grosse Panoramafenster die Berge zu bewundern oder die Wagemutigen, die an der Tyrolienne über die Schlucht rauschen.

Einen dicken Minuspunkt gibt es für die Reservation: Wir wollten anschliessend an die Bergsteigerwoche noch zwei Übernachtungen anhängen. Bereits im Mai habe ich reserviert mit dem Vermerk, dass wir in dem Zimmer, in dem wir dannzumal sein werden, gerne bleiben würden. Das hat überhaupt nicht geklappt, die Bemerkung auf der Reservation wurde einfach ignoriert. Einer Jugendherberge, die so stilvoll sein will, darf sowas nicht passieren. Und ausser einem dürren „Entschuldigung“ gab es nichts. Ich hoffe sehr, dass das ein einmaliger Fauxpas war.

Fazit

Die Bergsteigerwoche mit Höhenfieber war ein voller Erfolg. Das Wetter war ideal, wir konnten alles machen, was auf dem Programm stand. Die Gruppe war bestens aufgehoben beim Bergführer Bruno Bösch und dem Bergführeraspiranten Marco Wüst-Steinemann. Und vor allem: Es gab keinen Unfall, und das ist jeweils das wichtigste. Die Kombination Bergsteigen/Wellness mit der Familie war ein wichtiges Argument für die Teilnahme. Auf jeden Fall kann ich jeder Familie die Teilnahme empfehlen, die mal Bergsteigerluft schnuppern möchten.

Unsere Ziele in dieser Woche

Die Woche wurde ermöglicht durch die Bergsteigerschule Höhenfieber, herzlichen Dank dafür. Der Leser kann jedoch versichert sein, dass der Inhalt komplett meine Meinung wiedergibt und die Begeisterung echt ist. 

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.