Dieser Titel tönt ja schon ein bisschen märchenhaft. Und so sollte es auch werden. Mit einem Krokodil, dem bekannten Liedermacher Linard Bardill und eben diesem Clà Ferrovia, einem Kondukteur der RhB, sollten wir eine Reise machen und dafür sorgen, dass der Winter pünktlich kommt.

Ein holpriger Start

Kurz vor halb zehn sollten wir in Chur sein. Wir nehmen das Postauto, nach Fahrplan sollten wir genug Zeit haben. Sollten. Wie es bei uns gar nicht so selten vorkommt, droht auch dieser Plan zu scheitern. In Trin vermeldet der Postauto-Chauffeur, dass der Kühler Wasser verliere und er nicht weiter fahren könne. Na toll. Er ist mit der Zentrale in Kontakt, kann uns aber nicht sagen, wann es weiter geht. Aber zehn Minuten später kommt der Ersatzbus angebraust. Kaum Verspätung! Da hat der Service der Postauto AG aber mal geklappt (wenn man mal davon absieht, dass es der Chauffeur schon länger geahnt hat, dass etwas nicht stimmt mit dem Postauto).

Auf dem Extrazug

So erreichen wir pünktlich Gleis 12 in Chur, wo unser Extrazug parat steht. Und vorgespannt ist das legendäre RhB-Krokodil. Mir wird ob so viel Nostalgie gleich warm ums Herz. Und da kommt auch schon Linard Bardill daher, der Kinderbarde. Schon scharen sich die Kinder um ihn, die Mamis und Papis ebenso. Er sorgt gleich für gute Stimmung, die Kinder sind voll dabei. Und sollen nun Clà Ferrovia heraussingen. Clà Ferrovia ist der Kinder-Kondukteur bei der RhB, und das nach eigenen Aussagen bereits seit 128 Jahren. Wie das möglich ist, verrät er den Kindern unterwegs. Lauthals singen sie, bis Clà die Schiebetüre des Eisenbahnwagens öffnet. Die Kinderaugen leuchten.

Gemeinsam singen sie das „Clà Ferrovia“-Lied. Anschliessend erklärt Clà etwas zum bevorstehenden Ausflug, ohne allzu viel zu verraten. Schliesslich wird es Zeit für die Abfahrt. Die „Kurzen“ steigen in den Geschichtenwagen ein, die „Langen“ verteilen sich in die übrigen Wagen. Zum Teil stammt das Rollmaterial aus den Siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts! Endlich haben alle einen Platz gefunden, das Krokodil beginnt zu schnaufen. Gemütlich zuckeln wir durch die Landschaft des Churer Rheintals, es holpert und schüttelt, dass man fast Angst kriegt, die Wagen würden von den Schienen springen.

Gediegen Zug fahren

Meine Frau und ich haben im „Filisurer Stübli“ einen Platz gefunden, wo es auch etwas zu trinken gibt. Einfach herrlich, in solch stilvoller Umgebung einen Kaffee zu geniessen! Die Rebberge und Ortschaften ziehen am Fenster vorbei. Mich fasziniert dieses alte Rollmaterial total! Linard fragt mich denn später auch, weshalb ich hier bin, ob wegen dem Zug oder wegen den Kindern. „Wegen beidem natürlich!“, gebe ich zur Antwort. In Landquart gibt es einen ersten Halt, noch mehr Leute steigen zu. Ich werfe einen Blick in den Geschichten-Wagen: Die Kinder lauschen gebannt Clà Ferrovia, erzählen selber Geschichten. Und eine Wärme ist das da drin! Zum Glück kann ich in einem anderen Wagen mitfahren. Weiter geht die Reise das Prättigau hoch. Linard verteilt Blätter, daraus sollen wir Flieger basteln. Die sollen dann vom Wiesener Viadukt geworfen werden, um… Nein, mehr wird nicht verraten. Die Kinder werden sie aber von irgendwo runterwerfen. Das Papier sei ökologisch abbaubar in drei Wochen, zwei Tagen und 16 Stunden, versichert uns Linard. Wir basteln und falten.

Eine Stärkung unterwegs

Der Zug fährt in Saas ein. Am Bahnhof stehen Tische und Bänke parat, hinter Tresen wartet das Personal auf die Gäste. Und alles ist für uns aufgebaut! Süssmost, Wasser und Sauser findet reissenden Absatz, ebenfalls das feine Birnenbrot. Die Kinder können nun die Flieger ausprobieren, die die Väter, Mütter, Grossväter, Gottis und wer auch immer gefaltet haben. Man geniesst die Sonne, die Getränke, das Birnenbrot. Clà und Linard unterhalten die Menge mit Liedern, animieren sie zum Mitmachen.

Die Stunde vergeht wie im Fluge, wir steigen wieder ein, das alte Krokodil setzt sich in Bewegung und schnauft über Klosters dem Wolfgangpass entgegen. Es ruckelt und rattert, wir geniessen die Aussicht. Es folgt der Davosersee, die verschiedenen Davos wie Dorf, Platz, Frauenkirch und so weiter.

Auf dem Viadukt

Bei Wiesen hält der Zug. Alles aussteigen! Die ganze Gesellschaft folgt nun Clà und Linard, die singend vorangehen. Wir gehen dem Gleis entlang, das – auf den Wiesener Viadukt führt! Parallel zum Geleise gibt es einen Fussgängersteg. Je weiter wir gehen, desto tiefer geht es runter. Die Landwasser fliesst 88.9 Meter tiefer unten durch. Welch ein Tiefblick! Dieser ist aber nicht allen geheuer, einige kehren um, andere schleichen dem inneren Geländer entlang und klammern sich daran fest. Die Kinder sind da weniger empfindlich. Und auf Kommando fliegen Dutzende von Papierflieger durch die Luft und verteilen sich im Tobel. Der Grund dafür? Finde den selber raus und nimm mal mit deiner Tochter, deinem Sohn, deinem Gottimeitli, deinem Enkel teil auf einer Fahrt mit Clà Ferrovia. Wir wandern weiter durch den Wald, wo Gnome hausen sollen, Clà Ferrovia voraus, mit einem Kind an jeder Hand. Er ist der Star, pausenlos reden die Kleinen auf ihn ein, stellen Fragen, erzählen.

Auf der Albulastrecke zurück nach Chur

Wir wandern durch den Wald, an einer Verzweigung wird nochmals ein Lied gesungen, bis die letzten auch da sind. Dann hören wir das Krokodil pfeifen, wir steigen hinunter und ein. Weiter geht die Fahrt. Wir erreichen Filisur, fahren nach einer Pause weiter Richtung Thusis. Kurz nach Filisur wird es dunkel, wir sind in einem Tunnel. Als es hell wird, fährt der Zug direkt auf einem Viadukt. Wir sind auf dem berühmten Landwasserviadukt. Die Albula-Bahnstrecke, die 1904 eingeweiht wurde, ist eine technische Meisterleistung. Wer noch mehr darüber erfahren möchte, sollte das Albula-Bahnmuseum in Bergün besuchen, einen Bericht findest du hier. Clà Ferrovia verteilt Bastelbogen und andere Geschenke. Zwischendurch kommt Hektik auf im Zug, der Zugchef eilt mit einer Verbandsbüchse hin und her, ein Kind hat sich mit der Schere geschnitten. Dann wird ein Vater gesucht, Leute eilen hin und her, Türe auf, Türe zu. In Chur hat sich alles wieder beruhigt, mit einem Lied wird Clà Ferrovia verabschiedet. Und wir dürfen noch einen Blick in den Führerstand des Krokodils. Und wieder fasziniert mich diese Technik. Einzig das iPad will nicht so recht zum nostalgischen Bild passen. Das ist aber wohl ein Zugeständnis an die modernen Sicherheitsanforderungen.

Unsere Rückreise mit Postauto verläuft übrigens diesmal ganz entspannt und ohne Probleme.

Mehr Infos: www.cla-ferrovia.ch
Die nächsten Fahrten finden im Dezember statt, dannzumal ins Lichterland, im Frühling geht es wieder ins Blumenland.

Diese Reise wurde freundlicherweise unterstützt von der Rhätischen Bahn RhB.

Ach ja, ein Geheimnis darf ich noch ausplaudern: Clà Ferrovia sieht Marius von „Marius & die Jagdkapelle“ verdächtig ähnlich!

 

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