Savognin ist Teil des grössten Naturparks der Schweiz, dem Parc Ela. Er umfasst einen grossen Teil der Talschaften Surses und Albula. Die Naturparkorganisation bietet eine Vielzahl von Aktivitäten an. Eine ist uns besonders ins Auge gestochen: „Greifvögel im Parc Ela“.

Man hält nach den Greifvögeln Ausschau
Man hält nach den Greifvögeln Ausschau

Im Surses brütet der Wanderfalke

Klar haben wir uns da gleich auf dem Büro der Ferienregion Savognin – Bivio – Albula angemeldet. Am Bahnhof von Tiefencastel werden wir von Andi, dem Wander- und Exkursionsleiter begrüsst. Er bietet unter www.pilgris.ch eigene Wanderungen an, ist ausgewiesener Vogelexperte und arbeitet an einem Wanderfalkeprojekt in der Gegend mit. Im Surses gibt es mindestens zwei Brutplätze des schnellsten Jägers der Welt. Wir fahren mit einem Bus hoch nach Stierva, wo weitere drei Teilnehmende aufgeladen werden. Auf einer schmalen Strasse geht es weiter hoch zur Alp Stierva an der Waldgrenze. Die Lärchen leuchten gelb, der Himmel blau, es ist ein fantastischer Tag zum Wandern. „Heute könnten wir Glück haben und ein paar schöne Beobachtungen machen. Das Wetter war in den letzten Tagen nicht gut, so dass es einen Zugstau gegeben haben könnte, das heisst, die Vögel sassen fest“, erklärt uns Andi.

Tolle Aussicht, aber keine Greifvögel

Wir starten also unsere Wanderung, Feldstecher und Spektiv griffbereit. Buchfinken huschen in den Bäumen herum, Kohlmeisen zwitschern, auf einer Fichtenspitze entdecken wir ein Braunkehlchen (wahrscheinlich), ein Trupp Misteldrosseln sucht nach Nahrung, aber kein Greifvogel lässt sich blicken. Wir erreichen dank des Hinweises eines Teilnehmers eine Felskanzel, von wo wir eine fantastische Aussicht geniessen. Wir blicken ins Albulatal, auf die Lenzerheide und bis zu den Tschingelhörnern mit dem Martinsloch, durch das jeweils zweimal im Jahr die Sonne auf die Kirche von Elm scheint.

Nur Greifvögel wollen sich keine zeigen, bis Andi weit entfernt einen Steinadler kreisen sieht. Diese majestätischen Vögel sind inzwischen wieder häufig zu beobachten in den Alpen, nachdem sie jahrhundertelang zu Unrecht verfolgt wurden. Erst 1953 wurde in der Schweiz die Jagd auf die Adler verboten. Ebenfalls aus Unkenntnis und Aberglaube wurde der grösste aller Schweizer Vögel, der Bartgeier, ausgerottet. Alleine schon durch die Bezeichnungen wurden die Vögel stigmatisiert und man glaubte sich damit im Recht, die Vögel ausrotten zu dürfen. „Raubvogel“ ist leider auch heute noch eine oft verwendete Bezeichnung. Was bitte rauben diese Vögel? Es sind Greifvögel!

Was rauben „Raubvögel“?

Die Bezeichnung „Lämmergeier“ für den Bartgeier ist ebenfalls boshaft irreführend. Er ist ein reiner Aasfresser und ernährt sich vorwiegend von Knochen. Um ein Lamm wegzutragen, wären seine Krallen zu schwach. Seine Brutsaison ist im Winter, weil da am meisten Aas auffindbar ist. Die Populationsdichte von Steinadlern ist verglichen mit dem Bartgeier viel höher, da er ein aktiver Jäger ist. Die Bartgeier müssen weite Strecken zurücklegen, um genügend Nahrung zu finden. Die Reviere von Steinadlern sind deshalb kleiner als jene der Bartgeier.

Teuer, aber bietet eine sensationelle Sicht: Spektiv von Swarovski
Teuer, aber bietet eine sensationelle Sicht: Spektiv von Swarovski

Ein Riesenvogel

Es ist erfreulich, dass sich die Bestände der beiden Vogelarten stetig vergrössern. Nur heute wollen sie sich nicht blicken lassen, und wenn, nur von weitem. Dafür veranschaulicht Andi mit Hilfe eines Metermasses und Silvan die Dimension dieser Vögel. Der Steinadler hat eine Spannweite um die zwei Meter. Fliegt ein Bartgeier im Tiefflug über einen hinweg, kann es schon mal kurz schattig werden: Fast drei Meter beträgt die Spannweite!

Wir steigen auf zur Alp Stierva, wo wir bei der Kapelle die Mittagspause einlegen. Da bleibt Zeit für viele Fragen. Nach der Pause machen wir uns langsam auf den Rückweg. Silvan hat ebenfalls weit weg einen Turmfalken entdeckt, genauso weit weg sitzt ein Mäusebussard auf einem Pfosten. Im lichten Lärchenwald hoffen wir Birkhühner zu entdecken, aber auch diese Hoffnung zerschlägt sich. Der Bus steht bereit für die Rückfahrt nach Tiefencastel. „Schade, ich hatte mehr erwartet“, meint Andi. Nun, wenn wir garantiert irgendwelche Vögel sehen wollen, müssen wir in den Zoo gehen. Das ist doch gerade das Spannende beim Beobachten in der Natur: Man weiss selten, was einen erwartet. Da taucht der Vogel, mit dem man gerechnet hat, einfach nicht auf, dafür entdeckt man einen anderen, den man nicht erwartet hatte.

Limikolen in Savognin

Den zweiten Fall erlebten wir gleich zwei Mal am Lai Barnagn in Savognin. Beim ersten Mal war meine Familie am See, als Fabian einen kleinen Vogel entdeckte, der im Sand am Ufer stocherte. Silvan erkannte sofort, dass es ein spezieller Vogel ist, rannte nach Hause und holte den Fotoapparat, um den Vogel zu fotografieren. Dieser war scheinbar gar nicht scheu. Welche Art es war, konnten wir aber auch zu Hause nicht eindeutig bestimmen, tippten aber auf einen Zwergstrandläufer, einen Watvogel, auch Limikole genannt. Ich machte mit den Bildern von Silvan eine Anfrage bei der Vogelwarte Sempach. Prompt wurde die Beobachtung bestätigt mit dem Vermerk, dass eine Beobachtung in diesem Gebiet äusserst selten sei und sie diese gerne in ihrer Datenbank vermerken würden.

Alle Bilder stammen von Silvan Kyburz.

Tags darauf wurde ich von der Familie an den See gerufen, es sei wieder ein Watvogel hier. Ich packte meine Kamera und konnte ebenfalls einige Bilder schiessen. Diesmal handelte es sich um einen Alpenstrandläufer, der hier ebenfalls eher selten ist, denn entgegen seinem Namen kommt er nicht in den Alpen vor, sondern brütet in der Tundra und tritt bei uns nur auf dem Zug auf.

Die Natur hält immer wieder Überraschungen für uns bereit.

Auf der Website des Parc Ela findet man viele geführte Wanderungen und Informationen. Es gibt auch eine App des Parks.

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