Die letzte Wanderung im Nationalpark soll uns dorthin führen, wo die ersten Bartgeier ausgewildert wurden in den Neunzigerjahren, nach Margunet. Zumindest sieht man von dort aus die Stelle. Allerdings gibt es noch einiges Spektakuläreres zu sehen auf dieser doch recht kurzen Wanderung.

Fast auf Margunet

Wo mal eine Alpweide war

Im ersten Postauto des Tages lassen wir uns zum Parkplatz 8 (ja, die sind durchnummeriert im Nationalpark) fahren. Wie üblich starten wir alleine, gehen bedächtig durch den Föhrenwald, lauschen und spähen in den Wald hinein. Infotafeln verraten Interessantes über die Tiere und den Lebensraum hier. Auf einem Baumwipfel sitzt ein Gimpel und gibt monotone Töne von sich. Bald treten wir auf die ehemalige Weide von Stabelchod. Bei der Eröffnung des Nationalparkes rechnete man damit, dass diese innert Jahren zugewachsen sein würde mit Wald. Dem war nicht so, sie ist heute noch offen, wofür die Hirsche besorgt sind.

Auf neuem Pfad hoch

Als wir das letzte Mal hier waren, vor genau zehn Jahren, führte der Weg noch direkt dem Fluss entlang. Jetzt steigt er links durch den Föhrenwald hoch, sehr schön zum Wandern. Es ist immer noch sehr ruhig, ab und zu krächzt ein Tannenhäher oder Meisen wuseln im Geäst umher. Es ist herrlich, ihnen zuzuschauen, wie sie die Zweige nach kleinen Insekten absuchen und dabei herumhangeln, die jeden Kletterer vor Neid erblassen lässt.

Wo die ersten Bartgeier ausgewildert wurden

Wir lassen allmählich die Baumgrenze hinter uns, nähern uns dem höchsten Punkt, Margunet. Dort, in einer Felsnische, wurden 1991 die ersten Bartgeier der Schweiz ausgewildert, nachdem sie seit 1913 ausgerottet waren. Er war ein Opfer von Aberglaube, er sollte Lämmer rauben und sogar kleine Kinder! Aus heutiger Sicht völliger Blödsinn, und ich denke, auch früher hat man das schon nicht geglaubt, aber alles, was einen krummen Schnabel hat, war ein Schädling. Diesbezüglich sind wir zwar heute weiter, aber statt dass wir die Tiere direkt ausrotten, zerstören wir ihre Lebensräume immer weiter, so dass nach und nach Tierarten verschwinden. Der Bartgeier ist aber ausnahmsweise eine Erfolgsgeschichte, bis 2007 wurden 26 Bartgeier ausgewildert, und ebenfalls seit 2007 brüten sie wieder in freier Wildbahn.

Gewitter im Anmarsch

Statt den Bartgeiern entdecken zwei Hirschkühe, jede mit einem Kalb. Neben dem Weg pflegt ein kleines Murmeltier seinen Pelz, Reinlichkeit ist überlebenswichtig. Wir schauen aber auch besorgt in Richtung Zernez, wo sich eine dunkle Wolkenwand aufgebaut hat. Aus dem Donner zu schliessen, kommt das Gewitter rasant näher. Schon fallen die ersten Tropfen! Zum Glück sind wir auf dem Kulminationspunkt, wir beeilen uns, nach unten zu kommen. Das empfiehlt uns auch der Parkwächter, der uns entgegen kommt. Er ist die einzige Person, die wir kreuzen. Da wir nicht damit rechnen, dass es bei den paar Tropfen bleibt, ziehen wir die Regenjacken an und beeilen uns. Schon bricht das Gewitter über uns herein. Da bleibt keine Zeit mehr, die Landschaft zu geniessen, die Kamera ist im Rucksack. Bald sind die Hosen völlig durchnässt. Dafür erreichen wir in persönlicher Bestzeit die Passstrasse (nicht, dass das jetzt erstrebenswert wäre).

Dem Fluss entlang

Dort hat es bereits wieder aufgehört zu regnen. Wir könnten jetzt in ein paar Minuten zurück zur Postautohaltestelle, aber einen Kilometer weiter unten lockt das Hotel Il Fuorn. Wir stellen uns bereits vor, in der Wärme zu sitzen und eine warme Ovomaltine zu trinken. Wir steigen ab zur Ova da Fuorn, ein Wanderweg führt diesem entlang zum Hotel. Und was für ein schöner Weg das ist! Man würde es gar nicht erwarten, wenn man nur die Passstrasse kennt, die nur ein paar Meter daneben entlangläuft. Hier scheint sie fern, man wandert in einem wilden Tal. Wir geniessen diesen letzten Teil, auf dem dank der modernen Textilien auch unsere Hosen im Nu trocknen. Nun sitzen wir statt drinnen draussen an der Sonne und geniessen K.u.K. (Kuchen und Kaffee).

Info

Die Wanderung ist ein Klassiker im Nationalpark, aber nichtsdestoweniger sehr lohnenswert. Für Laien gibt es Infotafeln, die die Ökologie detailliert erklären.

Start: P8 Stabelchod
Ziel: Hotel Il Fuorn
Strecke: P8 Stabelchod – Stabelchod – Margunet – Val dal Botsch – P7 – Il Fuorn
Distanz: 7.5 Kilometer
Höhenmeter: 500 Meter
Wanderzeit: 2 Stunden
Schwierigkeit: T2
GPS-Track: Margunet
Höhepunkte: Tiere, Aussicht, Weg durch den Föhrenwald
Alternative: Sollte wirklich jemand mit dem Auto anreisen, kann er auch bei P9 starten

Relive ‚Stabelchod – Margunet – Val dal Botsch‘

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.