Das jüngste Kind des Radwegnetzes Schweiz trägt die Nummer 599 und hört auf den Namen „Herzschlaufe Seetal“. Es ist eine anspruchsvolle E-Bike-Route, aufgeteilt in zwei Tagesetappen. Ich fand, das geht doch sicher auch in einem Tag und ohne elektrischen Rückenwind, ganz klassisch mit dem Rennrad.

Gut beschildert: Die Route 599
Gut beschildert: Die Route 599

Einstieg in die 599

Der nächste Einstiegspunkt in die Route von meinem Zuhause aus ist in Beromünster. Als ich los fuhr, war es noch nicht richtig hell, was wohl auch am Nebel lag, der, je höher ich kam, desto dichter wurde. Ich folgte der Beschilderung über Felder und durch Wälder, ohne allzu viel zu sehen von der Umgebung, alles war grau in grau. Die normalen Velorouten tragen die Farbe blau und verlaufen meistens auf asphaltierten Strassen. So war ich nun überrascht, öfters auf Naturstrasse zu fahren, zwischendurch auch auf ziemlich ruppigem Untergrund. Zum Glück hatte ich nicht ein normales Rennrad, sondern ein Gravelbike, das sich auch auf solchem Untergrund wohl fühlt.

Kurz vor Eschenbach, beim Weiler Reckenbrunnen, wechselte ich vom „Westast“ zum „Ostast“, wie die beiden Etappen genannt werden. Ich fuhr also wieder nordwärts auf den Lindenberg zu, von Ballwil nach Unterebersol, von dort nach Oberebersol. Lustige Namen haben die da. Wenn wir jeweils durch das Seetal Richtung Luzern fahren, sehen wir am Lindenberg die Kommende von Hohenrain, einem imposanten Gebäudekomplex aus dem 12. Jahrhundert. Ich fuhr nun einen schmalen, sehr steilen Weg hoch zu dieser Kommende. Da der Nebel aber immer noch sehr dicht war, bemerkte ich das gar nicht!

Hoch zum Lindenberg

Zum Glück ist der Weg sehr gut beschildert, man folge einfach den roten Pfeilen mit der Nummer 599. Sie stehen an allen Verzweigungen und machen ein Verfahren fast unmöglich, jedoch muss man schon immer die Augen offen halten. Nun stieg der Weg kontinuierlich an, vorbei an der Kapelle „Maria zum Schnee“, hoch zum Lindenberg. Irgendwann wechselte der Untergrund von Asphalt auf Kies, dann auf Schotter. Erstaunlich, wo der Weg durch führt. Vielleicht ist es ein Vorurteil von mir, aber ich halte E-Bike-Fahrer für oft nicht sehr geübte Fahrer, vor allem nicht auf Naturstrasse. Na, so lang ist dieser Abschnitt hier nicht, man kann auch schieben. Und dann wurde es immer heller, bis die Sonne in ihrer ganzen Pracht vom Novemberhimmel schien! Ich fuhr am Nussbaumer Beizli vorbei, das ich auf unserer Lindenberger Acht kennen gelernt hatte, weiter zum Horben, von wo man eine prächtige Aussicht in die Berge und heute auf das Nebelmeer hatte. Heute Dienstag hatte das Restaurant, trotz Feiertag, geschlossen, ich fuhr also weiter.

Über den Seen

Durch den Wald des Lindenbergs geht es wieder ein wenig abwärts und dann mehr oder weniger sanft abfallend auf dem Weg über dem Hallwilersee, den ich aber nur kurz sah bei Meisterschwanden. Den Baldeggersee sollte man auch sehen, aber der verbarg sich komplett im weissen Nichts. Der Lindenberg läuft gegen Hilfikon hin aus. Beim Schloss Hilfikon dreht die Route nach Westen und ein steiler Anstieg folgt. Da ist der eine oder die andere froh um den elektrischen Rückenwind. Dieser blieb mir versagt, was mich denn auch ein wenig leiden liess. Ich war froh, als es wieder abwärts ging nach Seengen und zum Schloss Hallwyl, das bekanntlich das schönste Wasserschloss der Schweiz ist, ein Halt ist hier eigentlich schon obligatorisch.

Der restliche Weg nach Lenzburg ist flach, führt meistens dem Aabach entlang über Felder und durch Wälder. Die Altstadt sollte man unbedingt besuchen, Cafés laden zum Verschnaufen ein in der Hauptgasse. Und über allem thront das mächtige Schloss Lenzburg. Ich meinerseits legte hier eine grössere Pause ein und stärkte mich. Ein Passant sah mein Rennrad und fand „Cool! Damit kann man auf Waldstrassen fahren, gell? Darf ich es mal heben?“ Schmunzelnd erlaubte ich es ihm natürlich.

Eine veritable Schlössertour

Weiter ging die Reise, vorbei am Staufberg mit der weit herum sichtbaren Kirche fuhr ich auf Nebenstrassen durch Schafisheim nach Seon. Dort stieg die Route wieder an zu den Sibe Zwingstei. Ich war nicht unglücklich, als ich die Höhe gemeistert hatte. Runter ging es dann einfacher, und wieder tauchte ein Schloss auf: Die Liebegg in Teufenthal. Nun führt die Route ins Dorf hinein, ich spielte kurz mit dem Gedanken, einfach direkt nach Hause zu fahren, verwarf ihn aber wieder. Wenn man im Dorf nun nach links schaut, sieht man die Trostburg. Die Herzschlaufe ist eine veritable Schlössertour.

Nun aber geht es zur Sache, der Aufstieg zum Wannenhof ist brutal steil und man ist froh um einen Motor. Mir hätte ein kleinerer Gang schon gereicht. Oben angekommen, geht es in sanftem Auf und Ab weiter zum Böhler, einem Pass zwischen dem Wynen- und dem Suhrental. Noch durch den Wald und es geht einmal mehr abwärts, vorbei am Schloss Rued nach Schlossrued und damit mitten ins „Aargauer Ämmitau“, dem Ruedertal. Das Tal ist so eng, dass es, kaum war ich unten angekommen, ein paar Meter weiter schon wieder aufwärts geht, der letzte längere, steile Anstieg. Ist die Höhe mal erreicht, geht es im bekannten Auf und Ab weiter Richtung Kanton Luzern, runter nach Wellnau, dann nach Schlierbach und Krumbach.

Blick in die Alpen

Es hat wieder viel Naturstrasse, die Leute schauten jeweils komisch, wenn da einer mit dem Rennvelo auf der Schotterpiste vorbei fuhr. Von Krumbach aus ist es nicht mehr weit bis Beromünster, nur noch acht Kilometer. Wie als Entschädigung für den nebligen Morgen zeigten sich nun die Innerschweizer und Berner Alpen im Abendlicht, ebenso der Sendeturm, der sich zwei Tage vorher noch hartnäckig in der weissen Nebelsuppe versteckt hatte, und der Sempachersee. Diesen Teil der Strecke kannte ich nun, ich befahre ihn manchmal auf dem Weg zur Arbeit. Das Ende ist also absehbar. Als ich wieder in Beromünster eintraf, war die Sonne dort schon verschwunden. Müde, aber glücklich, rollte ich abwärts nach Hause, wo ich nach 122 Kilometer und 2200 Höhenmeter ohne Zwischenfall ankam.

Meine Meinung zur Herzschlaufe

Zwei Etappen für E-Bikes an einem Tag mit dem Querrad, ist das sinnvoll? Nun, wenn man die sportliche Herausforderung sucht, kann man das durchaus machen. Ich wollte mir einfach mal einen Überblick über die Route verschaffen und herausfinden, ob ich das gesetzte Ziel erreiche. Aber eigentlich bin ich ja auch ein Genussbiker, wie wohl alle E-Biker es sind, so dass man sich die Zeit nehmen sollte, die Schlaufe in zwei oder noch mehr Etappen zu fahren. Denn es gibt so vieles zu entdecken und bestaunen, dass man gar nicht dazu kommt, wenn man alles in einem Tag macht. Hier mal eine Liste, was man gesehen haben sollte:

  • Der Flecken Beromünster mit dem Stift (ich habe ihn schon oft erwähnt in anderen Postings)
  • Die Kommende Hohenrain
  • Der Horben mit der grandiosen Aussicht
  • Wenn man etwas ausholt, das Schloss Heidegg (ist allerdings auch als eigene Tour empfehlenswert)
  • Baldegger- und Hallwilersee
  • Schloss Hilfikon
  • Schloss Hallwyl
  • Lenzburg mit dem Schloss
  • Die Kirche auf dem Staufberg
  • Schloss Liebegg
  • Schloss Rued
  • Die Hügellandschaft des Ruedertales
  • Die Aussicht von Hunziken in die Berge und auf den Sempachersee

Einkehrmöglichkeiten gibt es genügend, immer wieder wartet ein Restaurant an der Strecke. Am Wegesrand gibt es aber auch zahlreiche Sitzbänke, die zu einer Rast einladen. Normalerweise hat man dort gleichzeitig auch eine wunderbare Aussicht.

Wer kann dieser Einladung schon widerstehen?
Wer kann dieser Einladung schon widerstehen?

Wer die nötige Fitness auf Naturstrassen hat, sollte diese Tour mal versuchen, es lohnt sich. Es muss ja nicht die ganze Tour an einem Tag sein.

Mehr Infos zur Tour gibt es hier: www.seetaltourismus.ch

Es gibt auch einen Führer dazu: Routenführer bestellen

9 thoughts

  1. Grosses Kompliment für diese tolle Tourbeschreibung und die exzellenten Bilder. Über die sportliche Leistung müssen wir ja nicht reden. Hut ab.
    Ich habe diese Route konzipieren dürfen und freue mich über alle, die darauf „ihre“ Heimat neu entdecken. Daher auch die kleinen Wege und teilweise Schotterstrassen. Man möge es verzeihen.
    Kleine Ergänzung: Es gibt einen kostenlosen Routenführer zur 599, gratis zu bestellen bei Seetal Tourismus: http://www.seetaltourismus.ch/de/sport-bewegung/herzschlaufe-seetal
    Es würde mich freuen, wenn mehr Gäste entdecken, dass der Kanton Aargau unbekannte Schönheiten birgt. Beim Kanton Luzern weiss man es ja…

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