Diese Wanderung kann man schon fast als episch bezeichnen, bietet sie doch alles, was der Bergwanderer und die Bergwanderin lieben: Grossartige Landschaft, Berge, röhrende Hirsche und zwei Pässe. Sie führt von der Val Mingèr bei S-charl über die Pässe Sur il Foss und Fuorcla Val dal Botsch in das gleichnamige Tal am Ofenpass, das durch die bizarren Felsstrukturen Staunen auslöst.

In der Val Mingèr
In der Val Mingèr

Herbstzeit ist auch Brunftzeit bei den Hirschen. Dieses Spektakel möchten wir uns nicht entgehen lassen und setzen uns ins Postauto von Scuol nach S-charl. Die Fahrt ist weniger angenehm als erhofft, der Bus ist komplett voll. Wenn man aber nach draussen schauen kann, wähnt man sich stellenweise in einer Kiesgrube. Riesige Geschiebemengen kreuzen die Strasse, die in diesem Sommer verschüttet wurde. Wir sind froh, als wir an der Haltestelle Val Mingèr aussteigen können. Leider machen das die meisten, auch zwei mutmassliche Lagergruppen mit Teenies. Wir versuchen, so schnell wie möglich viel Luft zwischen uns und die Gruppe zu bringen.

Im Nationalpark

Das Val Mingèr gehört zum Schweizerischen Nationalpark und ist streng geschützt. Wir queren ein kaum sichtbares Bächlein. Das riesige Bachbett lässt aber vermuten, dass es hier bei einem grossen Gewitter ganz schnell ganz ungemütlich werden kann. Und da ist auch schon das Röhren, auf das wir gewartet haben: Hirsche! Am Gegenhang entdecken wir zwei, allerdings Hirschkühe, etwas weiter oben Steinböcke (wahrscheinlich, sind schwierig zu bestimmen, auch mit dem Feldstecher). Tannenmeisen turnen in den Föhren am Wegrand, Tannenhäher sammeln fleissig Vorräte für den Winter. Die Gipfel sind weiss überzuckert, die Luft ist kalt, auch die Sonne mag nur bedingt zu wärmen. 

Röhrende Hirsche

Von einem markierten Aussichtspunkt aus sehen wir mehrere Hirsche, immer wieder röhrt einer. Allerdings scheint das meiste geklärt zu sein, grosse Aktivität herrscht nicht unter den Geweihträgern. Eine der Lagergruppen kommt an, relativ laut. Höchste Zeit, weiter zu gehen. Ein schöner Wanderweg zieht sich hoch zur Sur il Foss, wir nähern uns der Waldgrenze. Arven, Föhren und Lärchen sorgen für ein stimmiges Bild. Die letzten Murmeltiere pfeifen uns aus, bald werden sie ihren Winterschlaf antreten.

Von Sur il Foss blicken wir ins nächste Tal, die Val Plavna mit der riesigen Schwemmebene. Das wäre auch eine Möglichkeit, durch dieses nach Tarasp zu wandern. Wir aber folgen dem Weg, der sich dem Hang entlang zieht. Der nächste Pass ist noch verschneit, sieht schwierig aus, aber wir haben ja noch einen Plan B. Der Schnee und das Eis von der vorangegangenen Nacht tauen, es wird matschig. Ein Wanderer kommt uns entgegen. Wir fragen, ob er über den Pass gekommen sei. Nein, aber der Weg sei kein Problem, wir seien ja gut ausgerüstet.

Auf der Fuorcla Val dal Botsch

Von weitem sah der Weg respektabel aus, nun entpuppt er sich als gut begehbar und ohne Schwierigkeiten. Bald schon erreichen wir den zweiten Pass, die Fuorcla Val dal Botsch. Die Aussicht ist schön, aber es weht ein giftiger Wind. Ein Pärchen sitzt bereits im Windschatten eines Felsen, sie wissen noch nicht, auf welche Seite sie absteigen wollen. Wir wissen es, wir steigen in die Val dal Botsch ab. Oben ist der Weg noch steil, aber die bizarren Felsformationen und Strukturen lenken davon ab.

Silvan entdeckt ein Edelweiss und fotografiert es. Ein paar Meter wieder eins. „Hoffentlich fotografiert er nicht jedes Edelweiss, hier ist die Wiese voll davon“, sage ich zur Frau. Eine letzte kleine Pause im vermeintlichen Windschatten, dann kommen wir in flacheres Gelände. Die Farben des Herbstes zieren die Landschaft, die aus Föhrenwald, Geröll, Wiesen und Bergen besteht. Wir erreichen die Ofenpassstrasse. Gleichzeitig fährt das Postauto heran, wir steigen ein und fahren zurück. Perfektes Timing! Und das Ende einer grossartigen Wanderung, die, abgesehen von der Val Mingèr, sehr einsam war.

Info

Den Wanderer, die Wanderin erwartet eine grossartige Tour durch den Nationalpark über zwei Pässe. Hat man die Aussichtsplattform in der Val Mingèr hinter sich, ist man bald einmal alleine unterwegs.

Start: Haltestelle Val Mingèr, Scuol
Ziel: Ofenpass, P8 Stabelchod
Strecke: Val Mingèr – Sur il Foss – Fuorcla Val dal Botsch – Ofenpass, P8 Stabelchod
Distanz: 14,3 Kilometer
Höhenmeter: 1134 Meter
Dauer: 4 Stunden
Schwierigkeit: T2
GPS-Track: Val Mingèr – Ofenpass
Höhepunkte: Hirsche und andere Alpentiere, Landschaft, Felsformationen in der Val dal Botsch
Alternative: Von Sur il Foss kann man direkt durch die Val Plavna nach Tarasp absteigen.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.