Der Hornborgasjön liegt zwischen den beiden grossen Seen Vänern und Vättern in der Provinz Västergötland. Er ist ein Naturparadies erster Klasse, weshalb wir besonders gespannt waren darauf. Und wir wurden nicht enttäuscht vom Naturparadies Hornborgasjön.

Magnet für Kraniche
Der Hornborgasjön ist vor allem bekannt als Rastplatz für Kraniche. Jeden Frühling rasten hier zehntausende Kraniche auf dem Rückflug zu den Brutplätzen in den Norden. Dieses Spektakel verfolgen jeweils tausende Interessierter beim Naturzentrum Trandansen. Damit es aber überhaupt so weit kommen konnte, waren grosse Anstrengungen notwendig. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde der Pegel des 30 Quadratkilometer grossen Sees mehrmals abgesenkt für die Landgewinnung. Es blieb ein kümmerlicher Rest von vier Quadratkilometern Wasserfläche, die aber bis in die Sechziger Jahre versumpften.
In den Neunziger Jahren wurde der See wieder hergestellt und wurde eines der grössten Naturschutzgebiete Schwedens. Der See hat nun wieder die ursprüngliche Grösse und ist nirgends tiefer als zwei Meter. Man sieht immer noch die Spuren der Bewirtschaftung, Wurzelstöcke zeugen davon. Die Vögel nehmen sie gerne als Warte an.

Naturum Hornborgasjön
Bei Broddetorp gibt es ein Naturzentrum, das Naturum Hornborgasjön. Auf einem Rundweg kann man in verschiedenen Hides das Geschehen auf dem Wasser, im Schilf und auf der Wiese verfolgen. Zu guter Letzt ist da noch das Café „Doppingen“, wo man sich stärken kann.
Gleich nach unsere Ankunft in Broddetorp besuchten wir kurz das Naturum und natürlich das Café. Ideal ist, dass es hier Ladesäulen gibt, wir waren mit einem gemieteten Elektroauto angereist. Zuerst passierten wir Graugänse, die hier zu Dutzenden grasen und auch Junge grossziehen. Das Spektakel fand aber auf den Brutinseln statt, die Lachmöwen veranstalteten einen Höllenlärm. Ob denen ihr eigenes Geschrei nicht auf die Nerven geht? Oder schreien die sich ständig an „seid endlich still!“? Ich werde es nie erfahren. Gleich neben dem Besucherzentrum lud ein Hide zum Beobachten in Gewässernähe ein, welchen wir natürlich ausprobierten. Von hier sahen wir die Schwarzhalstaucher, wunderschöne Vögel mit einem schwarzen Kopf und Hals, roten Augen und goldfarbenen Federn am Kopf, die wie Brauen aussehen. Ein erstes Highlight kam auch gleich angeflogen: Ein junger Seeadler, für uns eine Erstbeobachtung. Fürs Erste war das genug, wir testeten nun das Café.
Am nächsten Tag wollten wir die Anlage genauer unter die Lupe nehmen. Das Wetter war nicht besonders angenehm, dafür hatte es auch keine Leute. Das Geschrei der Möwen war immer noch dasselbe, auch die anderen Vögel auf dem Gewässer, weshalb wir den ersten Hide ausliessen und gleich zum grossen Beobachtungsturm weitergingen. Auf den Wiesen suchten die Schafstelzen nach Insekten für ihren Nachwuchs, auf dem See schwammen Graugänse zusammen mit Kanadagänsen, weiter draussen Reiherenten. Plötzlich kam Hektik in den Schwarm, die Gänse veranstalteten ein Schreikonzert, Dutzende Reiherenten flogen auf. Was war der Grund? Ein Seeadler kam angeflogen, was die Vögel in Aufregung versetzte. In der Nähe des Cafés fanden wir wieder Schafstelzen, aber auch Braunkehlchen, die Junge fütterten. Nach der Stärkung im Café schauten wir uns das Besucherzentrum kurz an. Alles ist in schwedisch angeschrieben, für Fremdsprachige stehen Audioguides zur Verfügung.
Der Beobachtungsturm Fäholmen
Diesen Turm besuchen wir von der Unterkunft aus. Es gibt keinen Wanderweg, man muss der Strasse folgen, allerdings ist diese sehr wenig befahren, jedenfalls an diesem Sonntagmorgen. Wir nutzen das, um die Umgebung kennenzulernen. Die Landschaft ist hier noch reich an Strukturen, nicht so ausgeräumt wie bei uns. Weiden wechseln sich ab mit Wäldchen, Hecken und Bruchsteinmauern trennen die Grundstücke. Klar, es gibt natürlich auch die grossen Getreidefelder, aber die müssen natürlich auch sein. Dazwischen gibt es aber immer wieder Naturinseln. Bei den ersten Büschen hören wir den Sumpfrohrsänger, wie er verschiedene Vogelstimmen imitiert. Gleich daneben singt die Dorngrasmücke ihre kurzen Strophen, sie ist bei uns im Mittelland praktisch ausgestorben. Grund: Ausgeräumte Landschaften.
Goldammern singen überall, ein Fischadler fliegt über uns hinweg. Wir sehen ihn noch mehrere Male, vermutlich hat er einen Horst in der Nähe, er fliegt immer in die gleiche Richtung. Beim Wegweiser zum „Fågeltorn“ biegen wir in einen Feldweg ein. Graugänse grasen hier auf einer Wiese. Die sind sowieso überall, wo man hinschaut, sind Graugänse. Am Ende des Weges befindet sich eine Hecke, aus der eine Dorngrasmücke singt. Ich versuche, sie zu orten und zu fotografieren, erwische sie aber nicht. Dafür einen Schilfrohrsänger, der unermüdlich singt und der Hecke entlang hin und her hüpft. Beim Vogelturm die Überraschung: Zutritt verboten vom März bis 15. Juli wegen den brütenden Vögeln. Gut, dann kümmere ich mich halt nach der Pause wieder um den Schilfrohrsänger, um ihn noch besser ablichten zu können. Währenddessen entdeckt die Frau ein Neuntöterpärchen und eine Goldammer.
Auf dem Rückweg zeigen sich uns zwei Rehböcke, der eine posiert perfekt für den Fotografen. Diese Chance lasse ich mir nicht entgehen. Etwas weiter sitzt dann auch noch eine Goldammer auf einer Bruchsteinmauer, ebenfalls sehr fotogen. Der Ausflug hat sich gelohnt, im Herbst ist wohl die beste Zeit, den Turm aufzusuchen, dann, wenn die Kraniche in den Süden ziehen.
Ore Backar
Dieser Beobachtungsspot liegt auf der anderen Seite des Sees. Wenn man glaubt, man ist jetzt komplett falsch, ist es der richtige Weg. Am Schluss ist es nur noch eine Forststrasse, die in einen Parkplatz mit Infotafel mündet. Von dort starten wir unseren kurzen Ausflug, der wieder lange dauern wird. Der Weg verläuft im abwechslungsreichen Wald, man blickt aber immer wieder auf den See. Fitisse singen, ebenso Gartengrasmücken, Buchfinken und so weiter. Auf dem See sehen wir vor allem mal Lachmöwen und Höckerschwäne. Wir schauen genauer hin und entdecken Grünschenkel und Kiebitze. Da, wo der See jetzt ist, war wohl mal ein Wald, überall stehen auch hier Wurzelstöcke. Ein junger Seeadler fliegt vorbei.
Wir erreichen nach gut eineinhalb Kilometern den Aussichtsturm Oranabbes. Von dort überblickt man die Schlickfläche, wo sich dutzende Silberreiher und Höckerschwäne aufhalten. Kiebitze sind in den weniger tiefen Bereichen zu finden. Dazwischen wuseln Limikolen umher, Bekassine, Grünschenkel und Kampfläufer können wir bestimmen. Zwei Kraniche fliegen mit grossem Gezeter ein. Wir schauen dem Treiben noch eine Weile zu, bevor wir umkehren. Rechtzeitig, denn es beginnt zu regnen.
Auf der Rückfahrt über den Feldweg entdecken wir zwei kleine Vögel, wir halten. Wir staunen: Es sind Steinschmätzer, ein Altvogel und ein Junger! Diese hätten wir hier nicht erwartet. Als ich mal kurz in den Rückspiegel schaue, steht ein Auto hinter mir. Ups, schnell fahre ich zur Seite, denn wir sind mitten auf der Strasse stehen geblieben. Geduldig sind sie, die Schweden.
Vom Naturum dem Ufer entlang
Vom Naturum aus gibt es einen Wanderweg, der durch eine abwechslungsreiche Landschaft führt. Diese Wanderung unternahmen wir an einem trüben Tag. Ziel wäre Ytterberg gewesen (siehe nächsten Abschnitt), aber es begann zu nieseln, so dass wir umkehrten. Die Anwesenheit von Braunkehlchen, Schilfrohrsänger und Feldlerchen zeigt, wie abwechslungsreich das Gebiet ist.
Zum Ytterberg
Berg ist etwas übertrieben, es ist ein Hügel mit einer Aussichtsplattform. Wie schon vorher beschrieben, gilt auch hier: Wenn Zweifel an der Richtigkeit bestehen, ist man noch richtig. Am Ende der Strasse wartet auch hier ein Parkplatz, von wo wir starten. Ausgiebig unterhalten werden die Wege nicht, wir kämpfen uns durch hohes Gras, aber immer auf dem Weg, der zum Teil aus Stegen besteht. Hier fühlen sich Rohrammer, Schilfrohrsänger und Feldschwirl zu Hause. Gleich anschliessend folgt ein Trockenhang, durchsetzt mit Rosenbüschen. Hier finden wir Goldammern und Gartengrasmücken. Am Himmel zieht derweil der Fischadler vorbei. Auch Neuntöter findet man auf der Rundtour. Bei der Plattform legen wir eine längere Pause ein. So haben wir Zeit und den Überblick, das Geschehen auf und am Wasser zu bestimmen. Dort tummeln sich Schafstelzen, Flussuferläufer, Flussregenpfeifer und mehr. Es ist spannend. Wegen der Hitze gehen wir weiter und verlassen das Gebiet, brechen zu neuen Orten auf.
Es hätte noch mehr zu entdecken gegeben, aber dafür reichte unsere Zeit nicht. Mehr Informationen findet man auf naturum Hornborgasjön.
Unsere Unterkunft
Ein paar Worte muss ich noch zu unserer Unterkunft verlieren. Broddetorp ist ein kleines Kaff mit rund 150 Einwohnern und schon ziemlich abgelegen. Unsere Unterkunft war nochmals einige Kilometer ausserhalb des Ortes, kurz nach dem Naturum. Von der Zufahrtsstrasse, die auf einem ehemaligen Bahngleis verläuft, zweigt ein Feldweg ab zu unserem Häuschen, 200 Meter von der Strasse entfernt. Irgendwo im nirgendwo. Und es war fantastisch! Diese Stille und die Natur um uns herum begeisterte uns. Das Häuschen besteht aus einem Raum mit einem Bettsofa und Kochnische und einem Bad (Wohnklo mit Kochnische, wie ein Freund zu sagen pflegt). Absolut ausreichend für zwei Personen.
Die Tiere konnten wir aus der Stube heraus beobachten. Am Morgen und am Abend kamen immer die Feldhasen und der Rehbock, Schwalben jagten morgens und abends über den Getreidefeldern nach Mücken. Ab und zu kamen auch Graugänse und Kraniche vorbei. Und einmal tauchte ein Pirol auf, was sehr aussergewöhnlich ist, da er nur im äussersten Süden von Schweden vorkommt. Interessanterweise war er anderen Personen auch aufgefallen. Kurz: Ein Paradies!
Und wenn wir lange genug aufblieben und das Wetter gut war, konnten wir einen wunderbaren Sonnenuntergang geniessen.
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