Für diese Skitourenwoche mussten wir Schnee suchen im Val Müstair, denn wie überall wurde auch hier der Schnee sehr knapp. Dank unserem Bergführer Thomas fanden wir immer mindestens eine mit Schnee gefüllte Rinne. So verbrachten wir sieben unvergessliche Tage im äussersten Südosten der Schweiz.

Ausblick vom Piz Daint auf die Val Müstair
Ausblick vom Piz Daint auf die Val Müstair

Eine Einlauftour mit Ausbildung

Der erste Tourentag hätte mit einer Skitour während der Anreise starten sollen. Wegen dem erwähnten Schneemangel schlug Thomas vor, dass wir direkt nach Buffalora auf den Ofenpass fahren, dort eine kleine Tour unternehmen und uns die Grundsätze der Lawinenrettung nochmals in Erinnerung rufen. Ein guter Plan. Wir treffen uns also vor dem Mittag im Restaurant, bevor wir starten. Der Schnee ist schon sehr weich, aber wir wollen ja nicht allzu weit gehen.

Vorbei an der Alp Buffalora steigen wir hoch durch den Föhrenwald auf die ebenfalls Buffalora genannte Ebene und weiter zum schneefreien Punkt 2458, der unseren heutigen Gipfel markiert. Wir verschaffen uns einen Überblick über das Tourengebiet der folgenden sieben Tage. Es wird gut! Zugegeben, etwas mehr Schnee wäre schon nicht schlecht.

Da wir spät gestartet sind, ist der Schnee nicht mehr so tragfähig, milde gesagt. Bleibt man irgendwo stehen, ersäuft man förmlich. Dies wird unserem Bergführer zum Verhängnis: Während der Abfahrt versinkt er plötzlich, es wirft ihn hin. Als er sich wieder befreit hat, sieht der eine Ski etwas anders aus, er ist vor der Bindung geknickt. So ein Mist! Aber immer noch besser als das Bein. Thomas kämpfte sich auf einem Ski hinunter, wir hatten im tiefen Schnee auch mit zwei Skiern zu kämpfen.

Bei der Alp Buffalora repetieren wir die Lawinenausbildung, üben uns im LVS-Suchen, bevor wir wieder zu den Autos zurückkehren und zum Hotel Central in Valchava fahren.

Die längste Tour

Für die Sonntagstour starten wir direkt beim Hotel und steigen das Val Vau hoch mit mal mehr, mal weniger, mal gar keinem Schnee. Aber es ist eindrücklich, diese Stille, nur durchbrochen vom Kratzen der Felle auf dem Schnee. Die Frau und ich erkennen auch den Weg, den wir seinerzeit mit den Kindern gegangen sind auf den Piz Umbrail. Es dauert eine Weile, bis wir an die Sonne kommen. Ab Praveder ist es auch vorbei mit flach gehen, nun geht es deutlich bergan, und das bei voller Sonneneinstrahlung.

Am Grat grasen Gämsen, sie sind weit genug weg, um sich von uns nicht stören zu lassen. Langsam steigen wir hoch, die Hitze setzt uns zu. Erst am Grat oben weht ein kühler Wind. Auf ungefähr 2840 Meter halten wir und erklären den Ort zum Gipfel, für der Piz Turettas müssten wir unser ganzes alpinistische Können hervorholen oder hätten gleich an einem anderen Ort aufsteigen müssen. Wir geniessen die Aussicht ins Val Müstair und ins Südtirol. Über allem erhebt sich der mächtige Ortler, der höchste Berg Südtirols und ehemals Österreichs, oder dann noch Österreich-Ungarn.

Schnee fast überall vorhanden

Für die Abfahrt hat sich unser Bergführer das westgerichtete Val da la Crappa ausgesucht in der Hoffnung, dass der Schnee noch nicht so aufgeweicht ist. Das ist er tatsächlich nicht, er ist sogar recht gut zum Fahren. Beschwingt fahren wir abwärts, müssen immer wieder den Weg suchen. Irgendwann geht es nicht mehr westwärts, sondern südwärts. Da macht sich der Schnee schnell rar, wir müssen die Skis zwischendurch tragen, gehen auf Wildwechseln durch Föhrengestrüpp. Nochmals eine Abfahrt, dann heisst es stöckeln über die lange Ebene von Döss Radond. Erst danach können wir wieder abwärts fahren, gelangen auf den Hinweg. Fahrerisch ist es kein Highlight mehr, aber wir können recht weit abfahren.

Schon bald sind wir zurück beim Hotel, setzen uns auf die Gartenterrasse und geniessen das Panaché und ein Stück Bündner Nusstorte. Und dann kreist da über uns sogar noch der Bartgeier!

Bartgeier

Der Entscheid unseres Bergführers war übrigens goldrichtig, die andere Gruppe, die über den gleichen Weg, also südwärts, wieder abfuhr, hatte einen wahren Kampf im tiefen Sulzschnee, sie mussten sogar ihren Bergführer wieder ausgraben, so einbetoniert war er.

Zum zweiten Mal auf den Piz Daint

Wir starten wie am Samstag auf dem Ofenpass bei Buffalora, Ziel ist der Piz Daint, den wir vor neun Jahren schon im Sommer bestiegen haben mit den Kindern. Nun sind wir also auf Skis unterwegs und suchen den Weg durch den Föhrenwald, dem Bach Aua da Murtaröl entlang. Es ist schattig und noch sehr kalt, kein Wölkchen trübt den Himmel. Über dem Wald können wir erstmals die Aussicht geniessen. Die Gruppe zieht sich in die Länge, aber bei den Verhältnissen ist das auch kein Problem, wenn jeder in seinem Tempo geht.

Vor dem Gipfelhang gibt es eine kurze Pause. Dieser ist relativ steil und vor allem hart gefroren, Harscheisen erforderlich. Wenn man denn die richtigen dabei hat, was nicht bei allen der Fall ist (nein, es ist nicht derselbe wie letztes Jahr). Kurt und ich wechseln nun auf die Steigeisen, meine sind schliesslich neu und ich muss sie ausprobieren. Als wir starten, sind die mit den Skis schon weit oben. Aber wir können fast gerade hoch und überholen sie schnell.

Nichts als Berge

Da der Piz Daint recht dominant ist, haben wir von dort oben eine grandiose Aussicht. Berge, Berge, nichts als Berge. Die südgerichtete Talseite hat kaum noch Schnee, am Piz Terza liegt nicht viel mehr als im Sommer 2013. Der fällt also schon mal weg als Tourenziel. Eile haben wir keine, der Schnee ist hart gefroren, er muss erst mal antauen.

Trotzdem machen wir uns gelegentlich an den Abstieg, ewig können wir ja nicht da oben bleiben, und weiter unten schmilzt der Schnee schneller. Während die anderen auf dem harten Schnee hinunterholpern, steigen Kurt und ich fix mit den Steigeisen ab. Bis sie da sind, haben wir auch auf die Skis gewechselt. Wir fahren südwärts ab, legen aber noch einen „Schmelzhalt“ ein, doch der Schnee wird in dieser Zeit nicht viel weicher. Wir fahren weiter, er wird immer sulziger.

Bald treffen wir auf den Weg vom Samstag. Mit Vorteil folgt man diesem, sonst sinkt man unweigerlich tief ein. Diesmal kann auch Thomas die Abfahrt mit zwei Skis geniessen. Von der Alp Buffalora ist der Weg markiert, auch hier folgen wir diesem. Bald schon sind wir bei den Fahrzeugen, die schöne Tour endet im Passrestaurant Süsom Givè.

Auf der Grenze

Für den Piz Minschuns fahren wir ein Stück auf der Umbrailpassstrasse hoch, wofür es einen Schlüssel für die Barriere braucht. Am Ausgangspunkt machen wir uns parat und steigen den mehr braunen als weissen Hang hoch. Das Wetter ist für einmal nicht strahlend schön, hohe Schleierwolken bedecken die Sonne zeitweise. Bei Truoi Trid haben wir die erste Geländestufe gemeistert, hier geht es erst mal dem Aua da Prasüra entlang. Der flache Teil währt nicht lange, zwischen Steinen geht es wieder bergan, während die Sonne milchig am Himmel steht. Der Schnee scheint reines Eis zu sein, die oberste, gefrorene Schicht spiegelt das Sonnenlicht.

Dem Ortler nah

Wir nähern uns dem Gipfel, entledigen uns knapp unterhalb der Skis und legen die letzten paar Meter im Geröll zurück. Der Piz Minschuns ist ein Grenzgipfel, auf der anderen Seite liegt das Südtirol respektive Italien. Und wir sind jetzt dem mächtigen Ortler so nah wie nie. Einfach grossartig.

Während wir geniessen, hat sich Bergführer Thomas bereits einen Abfahrtsplan zurechtgelegt. Wir traversieren zuerst auf einem Grat, bevor wir links in die Flanke hinein stechen. Dort hat es genug Schnee in der richtigen Steilheit und der richtigen Konsistenz, es ist eine wahre Abfahrtsfreude. Die währt bis zur Ebene, die wir in den Spuren früherer Befahrungen noch gut überwinden. Danach ist ja aber der fast schneefreie Hang. Trotzdem gelingt es uns, diesen hinter uns zu bringen, ohne die Skier auszuziehen. Der Förster fand zwar, dass das „schon etwas grenzwertig war“, aber er hat nochmals ein Auge zugedrückt. Und wir waren um eine grossartiges Erlebnis reicher!

Im Nebel auf den höchsten Gipfel

Das Wetter hat definitiv umgeschlagen, es ist trüb, in der Höhe hat es geschneit. Wir fahren ins Skigebiet Minschuns am Ofenpass und steigen dort auf der Piste hoch (das Skigebiet hat die Saison beendet). Meistens. Zwischendurch tragen wir die Skier ein Stück auf dem Wanderweg. Bald erreichen wir die oberste Station des Skiliftes. Dort beginnt auch bald die Nebeluntergrenze. Wir steigen hoch, nicht genau wissend, wo es durchgeht, ausser der Bergführer, der weiss es natürlich. Wie Schafe folgen wir ihm.

Auf 3020 Meter

Beim Skidepot reicht die Sicht kaum 100 Meter. Wir ziehen die Steigeisen an und steigen den Rest zu Fuss hoch. Die letzten Meter führen über einen relativ breiten Felsgrat, ich liebe das. Es ist ähnlich wie im letzten Jahr auf den Grand-Luy, mit dem Unterschied, dass man heute nichts sieht. Ein bisschen Kraxeln und dann stehen wir auf dem Gipfel des Piz Vallatscha, einem Dreitausender, gratulieren und steigen wieder ab, denn zu sehen gibt es nun wirklich nichts.

Nun folgt wohl eine der schlechtesten Abfahrten ohne Bruchharst, die ich gemacht habe. Der Schnee ist hart und wellig, mal kann man die Welle durchbrechen, mal nicht. Thomas fährt voraus, wir alle brav hintendrein, niemand will sich das antun und selber eine Spur ziehen. Erst im Skigebiet geht es wieder gut zum Fahren, man kann gar fast von Genuss sprechen. Unten angekommen, kommen wir zum gleichen Fazit wie die ganze Woche schon: Es war toll!

Es schneit

Die Wetteraussichten werden immer trüber. So wird es eine Schauen-wir-mal-wie-weit-wir-kommen-Skitour. Wir starten kurz vor Tschierv durch einen zauberhaften Wald, allerdings mit wenig Schnee zum Teil, wie gewohnt. Oben wird das Gelände offener, mit der Zeit hört es auf zu schneien. Ich stecke den Skistock mühelos einen halben Meter in den Schnee. Schöne Aussichten für die Abfahrt. Unterhalb des Lai da Chazfora erklären wir einen Felsblock zum Gipfel. Steigt man aus der Bindung, versinkt man gleich mal einen halben Meter.

Vorsichtig wagen wir uns an die Abfahrt. Es gilt, die sichtbaren Steine, Bäume und Felsen weiträumig zu umfahren, denn dort bricht man unweigerlich ein. Diese Situation dauert nicht lange, bald geht es gar nicht so schlecht zum Fahren, wenn man die Erwartungen runterschraubt. Das letzte Abenteuer ist die Abfahrt durch den Wald, das auf einem Feldweg endet, auf dem wir nun zurückmarschieren zum Ausgangspunkt.

Ade Val Müstair

Letzter Tag, eine kleine Skitour auf den Minschuns im gleichnamigen Skigebiet soll’s sein. Wir verladen unsere Sachen bei Regen, fahren dann hoch ins Skigebiet, wo es schneit. Auf der Piste steigen wir hoch bis zum kleinen Gipfel, zwei Schneehühner kreuzen unseren Weg. Auf dem Gipfel haben wir keine Aussicht, dafür ausgezeichneten Empfang wegen der Handyantenne dort. Dann fahren wir den gleichen Weg wieder ab, packen zusammen und müssen nach Hause. A revair, Val Müstair, bis zum nächsten Mal!

Die Unterkunft

Um jeden Tag fit zu sein für eine Skitour, braucht es einen Ort, wo man sich erholen und stärken kann. Das haben wir im Hotel Central in Valchava gefunden. Die Fassade ist mit wunderbar farbigen Bildern bemalt, Szenen und Symbole aus dem Tal. Das weckt schon gewisse Erwartungen, die auch voll erfüllt werden. Wir wurden warmherzig empfangen, der Service war die ganze Zeit top, ebenso das Essen. Jeden Abend freuten wir uns auf den Gaumenschmaus. Das Zimmer, das die Frau und ich teilten, war grosszügig, einladend und wir fühlten uns wie zu Hause. Ich kriege ja nichts dafür, aber das Hotel kann ich uneingeschränkt empfehlen.

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