Das Rätikon im bündnerisch-voralbergischen Grenzgebiet ist nicht nur ein Kletter- und Wanderdorade, sondern im Winter auch eines für Skitourenfahrer und Schneeschuhwanderer. Ein guter Grund, mal eine Woche dort zu verbringen mit dem SAC Homberg. Es wurde ein Pulvertraum im Rätikon.

Skitourenfreuden im Rätikon Skitourenfreuden im Rätikon

Hüenerchopf, 2172 m

Wir treffen uns beim Tourenleiter in seinem Wochenendhaus in Wangs und lassen es uns erst mal gut gehen. Mal schauen, was diese Woche bringt, denn das Lawinenbulletin zeigt die Stufe 4 „gross“ an. Frisch gestärkt starten wir spät, um elf Uhr, zur Tour bei Vermol am Eingang zum Weisstannental. Der Schnee ist schon ziemlich weich. Durch Schneisen im Wald steigen wir höher zur Waldgrenze, von dort weiter zum Gipfel. Ich erspähe den Garmil, unser Ziel eineinhalb Monate zuvor. Noch einige Meter, dann stehen wir auf dem Gipfel und geniessen eine grossartige Aussicht.

Wir halten uns nicht lange auf, steigen wieder ab, aber nicht wie der Mainstream von dort, wo wir hergekommen sind, sondern auf die andere Seite, was eine kurze Klettereinlage zur Folge hat. Dafür werden wir mit Pulverschnee im ersten Hang belohnt. Danach ist der Schnee nicht mehr ganz so toll, natürlich wurde er noch weicher. Aber wir kommen sicher wieder in Vermol an, wo wir unseren Durst löschen.

Schönberg, 2103 m

Der Tag kurz zusammengefasst: In der Schweiz aufgewacht, in Liechenstein auf Skitour, in Österreich zu Bett gegangen. Aber im Detail. Wir fahren nach Malbun in Liechtenstein, von wo wir zum Sassförkle aufsteigen. Eine kurze Abfahrt unterbricht den Aufstiegsfluss, aber bald sind wir wieder im Tritt. Auch dieser Gipfel bietet eine grossartige Aussicht bis zum Bodensee und ins Toggenburg.

Die Abfahrt ist auch wieder nicht schlecht, ich würde den Schnee als feuchten Pulverschnee bezeichnen. Gegen unten wird er immer tiefer, beim Sautobel ist aber Schluss, wir steigen wieder hoch zum Sassförkle. Die Abfahrt auf der Forststrasse nach Malbun ist interessant, wenn die Strasse beschienen ist, fahren die Skis nicht richtig. Kaum ist Schatten von den Bäumen, laufen sie wie verrückt, um dann wieder ziemlich heftig abzubremsen, wenn die Sonne den Schnee aufgeweicht hat.

Nach der Einkehr fahren wir zu unserer Unterkunft in Gargellen im Montafon, wo wir nun zwei Nächte bleiben werden.

Schlechtes Wetter ist kein Grund zum Drinnenbleiben

Gemäss Wetterprognosen ist heute der schlechteste Tag. Dies will er gleich unter Beweis stellen und lässt es schneien. Das verdriesst uns aber nicht, im Schneegestöber steigen wir auf zur Unteren und Oberen Röbialpe, wo wir jeweils pausieren. Nach dem Schneefall bleibt noch der Nebel, der immer wieder aufreisst und uns einen Blick auf den blauen Himmel erhaschen lässt, aber nur kurz. Wir queren in Lawinenabständen einen steilen Hang, steigen höher, immer noch mit Sicherheitsabstand. Die Gämsen scheinen davon nichts zu halten, ein Rudel von gegen dreissig Tieren quert oberhalb von uns den Hang. Für mich wäre nun genug, der weitere Weg ist steil und Nebel versperrt die Sicht. „Noch bis zu diesem Boden hier“, ruft der Tourenleiter. Also gut, aber dann ist Schluss für mich. Dieser Ansicht sind die meisten, nur drei gehen noch weiter. Na ja, ich bin vielleicht etwas übervorsichtig, aber lieber einmal zu früh als nie mehr umkehren. Der Tourenleiter mit seiner immensen Erfahrung erklärt später, weshalb er dies verantworten konnte. Die Lawinengefahr wurde vom SLF nachträglich nach unten korrigiert.

Skisuche im steilen Hang

Ich fahre also mit den anderen abwärts, auf einer weiten Ebene, wo wir sicher sind, halten wir und warten auf die anderen. Nach langer Zeit kommen sie, fahren den steilen Hang ab, der offensichtlich auch Stürze zu halten vermag. Gemeinsam fahren wir weiter. Die Sicht wird nach unten besser. Nun müssen wir den Weg durch das Labyrinth im Wald finden. Es wird immer steiler. Plötzlich verliert der Tourenleiter nach einer langsamen Kurve den Ski und findet ihn nicht. Wir machen uns auf die Suche, weit kann er ja nicht gekommen sein. Ich stehe inzwischen ziemlich weit unten, kann also nicht mehr helfen, also gehe ich mal schauen, wo der Weg weitergehen könnte. Als dies klar ist, schaue ich den anderen zu, die inzwischen begonnen haben, den Hang umzugraben. Ich schaue dem herunterkollernden Schnee nach, da entdecke ich unter einer Fichte etwas Schwarzes. Kann das…? Ja, das ist der Ski! Damit hatte niemand gerechnet, dass der 20 Meter weiter unten stecken bleibt. Glück gehabt.

Wir können also weiterfahren, ein Wanderweg im Wald wird nochmals zur Herausforderung, dann erreichen wir auch schon Gargellen.

Rotspitz über das St. Antönier Joch

Heute sollte das Wetter besser werden. Als wir jedoch mit den Bahnen hoch fahren und den Aufstieg starten zum St. Antönier Joch, ist die ganze Landschaft immer noch in Nebel gehüllt. Auf dem Joch weht auch noch ein kalter Wind, kein gemütlicher Ort für eine Pause. Wir gehen weiter und steigen auf zu einem Vorgipfel des Riedchopfs. Auch hier halten wir es nicht lange aus, dafür geniessen wir die erste Abfahrt im Pulverschnee. Danach steht uns allerdings wieder ein Aufstieg bevor, denn wir wollen heute alle auf den Rotspitz. Zwischendurch reisst es auf, wir blicken ins Prättigau hinunter. Auf dem Gipfel ist es aber wiederum nicht sehr gemütlich. Und immer, wenn wir meinen, der Nebel löse sich auf, kommt die nächste Schwade. Wir machen uns an die Abfahrt. Die Sicht ist diesig, Konturen schwer auszumachen. Wir warten immer, bis mal wieder kurz die Sonne kommt und fahren dann los. Der Schnee ist aber über jeden Zweifel erhaben, feiner Pulverschnee verwöhnt uns. Wir streben nun Partnunstafel und dem Berggasthaus Sulzfluh zu, wo wir drei weitere Kameraden erwarten.

Auf die mächtige Sulzfluh

Heute ist alles anders. Rosarot kündigt sich der Tag an, kein Wölkchen ist am Himmel auszumachen. Wir sind kaum zu bremsen, endlich geht es los. Im Schatten ist es noch ziemlich kühl, aber über uns leuchtet die mächtige Sulzfluh, unser Ziel, bereits im Morgenlicht. Nur die Windfahnen trüben etwas die Vorfreude. Bald erreichen wir ebenfalls die Sonne, es ist gleich viel wärmer. Aber wo geht es da hoch? Ich sehe nur Felswände. Irgendwo dazwischen muss ein Durchschlupf sein. Tatsächlich, ein steiles Couloir zwingt uns kurz zum Skitragen, bevor es wieder wie gewohnt weitergeht. Nun können wir auch die Gipfelparade geniessen, hunderte Bergspitzen erheben sich in unserem Blickfeld. Je höher wir kommen, desto heftiger weht der Wind. Kurz unter dem Gipfel, an einem windstillen Plätzchen, entschliessen wir uns zur Felldemontage, denn auf dem Gipfel scheint es zu stürmen. Dort angekommen, sind wir überwältigt von der Aussicht. Einfach gewaltig!

Ein Pulvertraum

Der Wind kommt nur böenartig, dazwischen ist es sogar windstill, so dass wir eine ganze Weile das Gipfelmeer geniessen können. Aber jetzt ist Zeit für die Abfahrt. Die obersten Meter sind noch, na ja, leicht windgepresst. Aber schon kurz danach: Oh làlà! Pulverschnee vom Feinsten! Es gibt genug, der Hang ist praktisch unverfahren. Überall Juchzer, jeder hat ein Grinsen im Gesicht. Und das war erst der Anfang!

Wir nehmen Hang um Hang, locker-flockiger Pulverschnee lässt uns schweben. Wir verfahren das ganze Tälchen, eine Spur neben der anderen. Wenn ich eines nicht möchte, dann das: Jetzt hier aufsteigen. Zuschauen müssen, wie andere alles verfahren. So wie die paar, die uns entgegenkommen. Über 1000 Höhenmeter P-U-L-V-E-R-S-C-H-N-E-E! Der Wahnsinn! Völlig geflasht und ausser Atem kommen wir im Talboden an. Nach der Verschnaufpause steht uns noch ein kurzer Aufstieg zur Lindauerhütte bevor. Wunderschön, der Weg durch den verschneiten Wald! Und in der Hütte geniessen wir dann gleich einen Radler auf der Sonnenterrasse. So schön können Skitouren sein, diese war beinahe perfekt.

Auf dem Grossen Turm

Wir sahen sie schon von der Sulzfluh aus: Eine steile, weisse Flanke, darunter senkrechte Felswände. Da wollen wir hoch? Na, wird schon gehen. Wir starten also, zuerst flach ins Tal hinein, dann links hoch durch Pulverschnee. Wir kommen an imposanten Felswänden vorbei. Auf der gegenüberliegenden Talseite, auf den aperen Flächen, grasen Gämsen. Das ist optimal, wir Skitourengeher suchen die schattigen Nordhänge, die Gämsen die sonnenbeschienen Südhänge, so kommen wir uns nicht in die Quere.

Staunen ob der Bergwelt

Obwohl ich schon viele Jahre auf Skitouren gehe, staune ich immer wieder, so auch jetzt, über die Berge, die steilen Felswände. Es ist alles so grossartig, gleichzeitig fühle ich mich so klein und werde ganz demütig. Das täte dem einen oder anderen Grosskotz auch mal gut, festzustellen, dass er eigentlich nur ein kleiner Wurm ist.

Der Aufstieg wird enger und steiler, bevor wir den Gipfelhang erreichen. Nun sind wir in jener Flanke, wo ich mich gestern noch fragte, wie wir da hochkommen. Ist aber alles kein Problem, bald stehen alle auf dem Gipfel des Grossen Turmes, der zur Drusenfluh gehört. Und wieder geniessen wir eine gewaltige Aussicht, wir erkennen den Tödi, den Glärnisch und die Gipfel des Berninamassivs. Dann hört es aber auch schon auf, in Österreich erheben sich einfach Berge, soweit das Auge reicht.

Abfahrt im Pulverschnee

Der Gipfelhang ist sonnenbeschienen und deshalb schon etwas hart. Weiter unten, wo mehr Schatten ist, geniessen wir wieder Pulverschnee vom Feinsten. Einfach unglaublich, was wir hier wieder erleben. Nach einer kurzen Pause ziehen wir die Felle nochmals auf und steigen das Eistobel hoch. Mir reicht es aber bald einmal, ich geniesse lieber die Stimmung. Ich stehe mitten zwischen gewaltigen Felswänden, welche von Alpendohlen bewohnt sind. Sie geben ihre Flugkünste zum Besten, was immer wieder ein Grund zum Staunen ist. Die anderen kehren auch um, gemeinsam fahren wir zurück zur Lindauer Hütte. Und geniessen dort, na klar, den einen oder anderen Radler.

Ich war so begeistert von diesen Bergen, dass ich noch ein kurzes Video gedreht habe:


Bye bye Montafon

Wir verlassen das Montafon über die Tschaggunser Mittagspitze. Vor dem Aufstieg steht uns eine Abfahrt auf der hart gefrorenen Strasse bevor. Es ist nicht immer einfach zum Bremsen, aber wir kommen problemlos am Zwischenziel an. Nun heisst es wieder Felle montieren und los geht’s. Der Schnee ist schon ziemlich weich, wir merken uns für die Abfahrt, wo wir am besten hinunterfahren werden. Wir steigen hoch durch dichten Wald, bevor wir wieder offenes Gelände erreichen.

Auf der Scharte angekommen, geht es zu Fuss weiter, ein steiler Aufschwung fordert unsere Kletterkünste im Mixedgelände. „Normalerweise liegt hier mehr Schnee“, meint der Tourenleiter. Das Gekraxel ist nicht ohne, aber wir erreichen den Gipfel, zumindest fast. Ein schmaler Grat, wo es links und rechts ins Bodenlose geht, trennt uns noch von diesem. Die anderen überqueren den Schneegrat, da mir der Gipfel dann genug voll erscheint (es hat nicht viel Platz), beschliesse ich, dass mein Gipfel da ist, wo ich gerade stehe. Höhenmetermässig macht es nichts aus, Peakhunter akzeptiert meinen Standpunkt ebenfalls als Gipfel.

Schon wieder Pulverschnee!

Bekanntlich ist hochklettern immer einfacher als runter, aber diesmal fällt es mir recht leicht abzuklettern. Bald sind wir wieder beim Skidepot. Ein Kamerad möchte sich ein T-Shirt drucken lassen: „I survived the Tschaggunser Mittagspitze“. Sie muss ihm ziemlich eingefahren sein. Wir nehmen nochmals einen Gegenanstieg in Kauf, um in einen weitgehend unverfahrenen Pulverhang zu stechen. Wieder ein Hochgenuss! Dann aber wird der Schnee schwerer, zudem müssen wir uns wieder ein Stück durch den Wald kämpfen. Nach diesem steilen Stück geniessen wir nochmals Sulzschnee, aber man muss die Route gut wählen, sonst versinkt man. Wieder beim Depot, packen wir unsere Sachen ein und fahren hinunter nach Tschagguns, wo wir den Durst löschen können. Dort stösst dann auch einer der Kameraden hinzu, der sich am Mittwoch ausgeklinkt hat, und fährt unsere beiden Chauffeure nach Gargellen, um die Autos zu holen. Nun verlassen wir das Montafon und kehren zurück nach Wangs.

Mit Fleiss auf den Fulfirst

Die letzte Tour soll uns auf den Gross Fulfirst im schweizerischen Malbun führen. Gemessen an der Startzeit soll uns wohl Sulz- statt Pulverschnee erwarten, wir starten sehr früh beim Parkplatz des Berghauses Malbun, die Sonne ist gerade erst aufgegangen. Durch lichten Wald steigen wir hoch, geniessen die Aussicht ins Rheintal. Wir erreichen die Alp Obersäss. Der Boden ist mit Spuren übersät, nicht nur von Skiern, sondern auch von Vögeln, selbst Abdrücke von Flügeln sieht man, an einer Stelle liegen ein paar schwarze Federn. Das muss ein Balzplatz der Birkhühner sein. Da sollte man mal übernachten und das Schauspiel am frühen Morgen bewundern. Und wirklich, kurz darauf fliegen vier Birkhähne vorbei! Und dann lese ich auf der Karte noch den Namen „Hanenspil“, verantwortlich für diesen Namen waren wohl diese Raufusshühner. Tatsächlich bestätigt www.ortsnamen.ch meine Vermutung. Es gibt in der Schweiz mehrere Orte mit diesem Flurnamen, aber alle weisen auf Balzplätze der Auer- oder Birkhähne hin.

Erinnerungen ans Toggenburg

Wir steigen weiter hoch, der Blick öffnet sich ins Toggenburg. Da kann ich in Erinnerungen schwelgen, die noch gar nicht so lange her sind, zum Beispiel an die Besteigungen des Lütispitzes und des Gulme in den Herbstferien im Toggenburg. Wir traversieren den Rand einer Senke, wo am tiefsten Punkt eine Alphütte steht, jedenfalls weist das Dach, das noch knapp aus dem Schnee ragt, darauf hin. Zwischen Gross und Chli Fulfirst steigen wir hoch, auf der Scharte schnalle ich die Skier auf, während die anderen es noch konventionell probieren. Die letzten Meter arten wieder in eine Kletterei aus, aber weniger herausfordernd als jene auf die Tschaggunser Mittagspitze. Auch dieser Gipfel bietet nicht übermässig Platz, so dass wir gleich wieder auf die andere Seite absteigen zu einem Podest, das ein Kamerad gegraben hat, damit wir die Skis besser anziehen können. Das ist auch nötig, denn der Hang hat ungefähr 45 Grad Neigung.

Eine Frühlingsabfahrt

Ich biete mich an, schon mal vorzufahren und Platz zu schaffen. Der Schnee rutscht oberflächlich, aber der Hang hält. Und dann passiert es: Ich stürze Kopf voran, sehe mich schon weit unten am auslaufenden Hang liegen, komme aber zum Glück gleich wieder auf die Beine. An einem flachen Ort bleibe ich stehen und warte auf die anderen. Die haben nun leichteres Spiel, der rutschige Schnee ist weg mit mir. Wir queren unter dem Fulfirst durch. Nun erwarten uns Hänge in idealer Neigung und bestem Sulzschnee. Was für ein Frühlingsschneetraum! Jeder zeichnet seine Bögen in den leicht angeschmolzenen Schnee. Wir nehmen Hang um Hang, kommen ins Schnaufen.

Erst als der Spass vorbei ist, machen wir Pause, ehe wir auf einer Forststrasse zurückkehren zum Berghaus. Und am Schluss künden Krokusse endgültig den Frühling an. Was für ein Finale einer sensationellen Tourenwoche! Unser ältester Teilnehmer meinte später, das sei eine der besten Tourenwoche gewesen, die er je gemacht hätte. Und das waren viele!

 

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