Die Auffahrtstage stehen an. Unser Plan: Rund ums Salwideli von früh bis spät Vögel beobachten. Vier Tage lang. Und dieser Plan ging voll auf. Spannung, Entspannung, Ruhe, alles fanden wir. Es waren wundervolle Tage im Salwideli bei Sörenberg.

Sonnenaufgang bei Silwänge
Sonnenaufgang bei Silwänge

Eine umständliche Anreise

Wir sind ja schon mehr als zwei Jahre autoabstinent. Die Anreise nach Sörenberg gestaltet sich als langwierig mit dem ÖV. Für die schnellste Variante hätten wir 5x (fünf Mal!) umsteigen müssen. Wir wählten eine, wo wir nur zwei Mal umsteigen mussten. Der Nachteil: Unser Bus kommt um x:57 an, der Zug nach Schüpfheim mit Anschluss nach Sörenberg fährt um x:57. Aber wisst ihr was? Das war uns egal. Wir gehen ins Café im KKL und geniessen Kaffee und Schoggibrötli. Ohne jeglichen Stress nehmen wir dann den Zug nach Schüpfheim, gondeln durchs Entlebuch. Das Postauto bringt uns anschliessend zur Talstation der Gondelbahn zur Rossweid. Das ist Entspannung schon beim Start der Reise.

Ein lange kurze Wanderung

Ja, was denn nun? Gemach. Wir starten also bei der Rossweid um die Mittagszeit. Wir wandern auf einem mit Holzschnitzel bedeckten Weg, trotzdem ist es zwischendurch ziemlich morastig. Das hier ist eben ein riesiges Moorgebiet. Bei der Salwide legen wir eine Pause ein und lassen uns Zeit mit dem Beobachten – und dem Hören. Denn das ist bei der Vogelbeobachtung genauso wichtig. Besonders Silvan hat sein Gehör darauf geschult, Vögel am Gesang und an den Rufen zu erkennen. So entgeht ihm auch nicht die Klappergrasmücke, die da in 20 Meter Entfernung von uns in einer Föhre singt. Wir hören auch einen, den wohl alle kennen: Den Kuckuck. Uns lässt aber ein anderer Gesang aufhorchen. Zuerst folgt Silvan ihm, er ist überzeugt, dass da ein Gartenrotschwanz singt. Ich schleiche mich ebenfalls an. Da entdeckt er ihn, ich kurz darauf auch.

Ein weiterer Sänger ist der Fitis, der dem Zilpzalp zum Verwechseln ähnlich sieht, anhand des Gesangs aber gut unterschieden werden kann. Der nächste Sänger macht sich bemerkbar, besser gesagt mehrere der gleichen Art: Die Baumpieper. Dieser Vogel singt gerne von zuoberst eines Baumes, steigt von dort singend auf und lässt sich dann wieder fallen, zurück auf den Baumwipfel. Eine Familie mit zwei kleineren Kindern, aber auf eigenen Bikes, kommt daher. Der Vater fragt, was wir sehen. „Vögel“, antworte ich. Ja, das nehme er an, aber was für welche. Damit hatte ich nicht gerechnet, denn normalerweise wollen die Leute nur wissen, ob wir Steinböcke oder Gämsen sähen, Vögel interessieren sie nie. Wir erzählen ihm vom Baumpieper, den er noch nicht kennt. Tags darauf kommt er an unseren Tisch im Salwideli und erzählt uns, dass sie ihn auch gesehen hätten.

Wir wandern nun noch die Strasse abwärts und erreichen unser Ziel, das Berggasthaus Salwideli. Und warum war das nun eine „kurze lange Wanderung“? Es waren 4.3 Kilometer, also relativ kurz. Dafür brauchten wir aber insgesamt vier Stunden! Aber die waren es Wert.

Bis in die Nacht hinein

Wir entspannen uns nun bis zum Nachtessen. Für dieses haben wir genug Hunger gesammelt, zum Glück, denn es schmeckt vorzüglich. Nur mit dem Dessert haben wir ein Dilemma: Wir wollen nochmals raus, können nicht warten, bis es serviert wird. Schweren Herzens gehen wir ohne Nachtisch vom Tisch, schnappen unsere Geräte und Stirnlampen und ziehen los. Ziel ist die Alp Schlund. Aber warum spät abends? Nun, um diese (Jahres-)Zeit balzen die Waldschnepfen, eine der wenigen Limikolen, die noch in der Schweiz brütet.

Die Sonne ist verschwunden, die Nacht bricht herein. Ein Hausrotschwanzmännchen singt auf dem Dach des Alpgebäudes, im Wald ein Rotkehlchen. In der Dämmerung ist immer noch eine Ringdrossel dabei, Würmer für ihren Nachwuchs zu sammeln, es ist gerade Hochbetrieb bei de Jungenaufzucht.

Wir zweigen ab in den Wanderweg zur Chlushütte, es ist schon ziemlich dunkel. Auf einer Lichtung bleiben wir stehen, von hier haben wir einen guten Rundumblick, zumindest an den Himmel. Dann hören wir ein „Quorrrrrk“. Da fliegt sie, die Waldschnepfe! Und schon ist sie wieder weg. Immerhin kündigen sie sich an, so dass wir uns vorbereiten können. Trotzdem erwische ich sie mit der Kamera immer nur von hinten. Aber besser als nichts.

Es scheint, als flöge da nur eine Schnepfe über den Himmel. Vor drei Jahren waren es mehr, so rein nach Gefühl. Oder dann war die Schnepfe sportlicher und flog öfters vorbei. Als wir bald nichts mehr sehen und die Kameras kapitulieren, kehren wir um. Die erhofften Eulen, Sperlingskauz oder Raufusskauz, hören wir nicht. Kurz vor elf Uhr nachts kehren wir ins Salwideli zurück, das Gebäude ist bereits dunkel. Morgen werden wir erst mal ausschlafen, bevor wir auf die nächste Expedition gehen. Aber es hat sich gelohnt heute!

Etwas höher hinaus

Nachdem wir ausgeschlafen und gefrühstückt haben, starten wir, für uns schon recht spät, um neun Uhr zur Wanderung ums Böli (so heisst der Felschnubel vor der Schrattenfluh). Es ist bereits heiss, die Sonne brennt vom Himmel. Ein Wiesenpieper hat sich ein Kreuz, das auf einer Weide steht, als Aussichtsplattform ausgewählt. Kurz darauf ruft ein Kuckuck. Die beiden anderen beobachten noch irgend was, während ich Schatten aufsuche. Von dort entdecke ich einen Vogel, kann ihn nicht auf Anhieb identifizieren. Gesperberte Brust? Braun? Wie gross ist er eigentlich? Mir kommt die Sperbergrasmücke in den Sinn, ist hier aber unwahrscheinlich. Und der Vogel scheint grösser zu sein als eine Grasmücke. Dann fällt mir ein: Das ist ein weiblicher Kuckuck. Er respektive sie sitzt da die längste Zeit, auch die anderen, die nach einer Weile kommen, können ihn noch beobachten.

Statt der Strasse und somit der Sonne nach steigen wir geradeaus den Wald hoch in der Hoffnung, dem Dreizehenspecht zu begegnen. Wir entdecken Mönchsmeisen und Goldammern, aber keinen Dreizehenspecht. Wir erreichen die Lichtung, wo wir am Abend davor schon waren, ein idealer Platz für eine Pause. Hier hören wir einen Berglaubsänger, eine Heckenbraunelle und diverse Rotkehlchen. Aber wieder lässt sich kein Dreizehenspecht sehen.

Bei den Hühnern

Wir steigen höher, über die Baumgrenze. Wir sind nun an der prallen Sonne, entsprechend heiss ist es und die Tiere machen sich rar. Trotzdem entdecken wir noch eine Ringdrossel und einen Zitronengirlitz auf dem gleichen abgestorbenen Baum. Es ist nicht mehr weit bis zum Pass, „Chlus“ genannt. Am schattigen Hang suchen wir nach Schneehühnern. Aber erst oben auf dem Pass entdecken wir eines. Unbeeindruckt frisst es, sich ganz auf seine Tarnung verlassend.

Wir gehen an der Chlushütte vorbei, werden dort kurz angesprochen auf unsere Ausrüstung. Die Hütte ist jeweils am Wochenende offen und wird von Vereinsmitgliedern bewartet. Im Abstieg vernehmen wir ein eigenartiges Geräusch, können es aber nicht lokalisieren. Für mich tönt es, wie wenn irgend wo Wasser austritt oder durch eine Röhre fliesst. Silvan überlegt heftig, dann: „Ein Steinhuhn! So tönen Steinhühner!“ Er sucht den Gegenhang ab, und tatsächlich: Es steht auf einem Felsblock und singt. Allerdings ist es sicher 300 Meter weit weg von uns, die Freude ist trotzdem gross bei uns.

An der Waldgrenze, im Schatten, machen wir ausgiebig Pause, bevor wir weiter absteigen. Wegen der Hitze nehmen wir den kürzest möglichen Weg, der auch über eine Weide führt, die jetzt schön blüht. Und viele Schwalbenschwänze flattern darüber, was für ein schönes Bild! Der Gegenanstieg zum Salwideli führt zum Glück durch den einigermassen kühlen Wald. Nun haben wir uns ein kaltes Getränk verdient! Und diesmal geniessen wir das Nachtessen inklusive Dessert.

Abmarsch vor Sonnenaufgang

Wir gehen zeitig ins Bett, denn am nächsten Morgen wollen wir um vier Uhr aufstehen. Den Wecker habe ich gestellt – allerdings auf den folgenden Mittwoch. Da ich nicht mehr so gut geschlafen habe wie die Nacht davor, war ich trotzdem wach. Wir ziehen uns an und starten zur Morgenexkursion, ohne Frühstück. Das wollen wir nach der Rückkehr geniessen. Es ist noch dunkel, aber schon kurz nach dem Start hören wir eine Waldschnepfe, ziemlich nahe beim Hotel.

Die Temperaturen sind noch angenehm, wir geniessen es. Es ist noch so dunkel, dass wir auch die Wärmebildkamera zum Einsatz bringen können, darin zeigen sich Rehe und ein Feldhase, die wir ohne nicht gesehen hätten. Bei der Alp Silwänge, wo Tische und Bänke stehen zum Rasten, legen wir eine solche ein, die Sonne ist soeben aufgegangen. Rundherum singen die Vögel, in der Ferne hören wir bereits einen Birkhahn kullern. Nach einer ersten Stärkung steigen wir weiter hoch, dem Kullern entgegen. Es ist fantastisch schön, der Sonnenaufgang, die Ruhe, kein Mensch weit und breit, es ist Wellness für die Seele.

Er balzt alleine

Mit dem Fernglas erspähe ich den balzenden Birkhahn. Ich deponiere den Rucksack und schleiche mich mit der Kamera an, immer von Deckung zu Deckung. Zum ersten Mal kann ich etwas gebrauchen, das ich in der Rekrutenschule gelernt habe (dabei konnte ich das vorher schon beim „Räuber-und-Poli-Spiel“). Nun bin ich bei der letzten Deckung. Er balzt, spreizt seine Federn, präsentiert sich, dreht sich umher und stösst den typischen Birkhahnruf aus. Plötzlich fliegt er auf. Oh nein, habe ich ihn doch vertrieben? Nein, er landet nur ein paar Meter weiter und beginnt das Spiel von vorne, der kurze Flug gehört auch zum Balztanz. Ich verfolge das Spektakel eine ganze Weile, ein Weibchen lässt sich aber nicht blicken. Es sitzt vermutlich irgendwo versteckt in den Büschen und beobachtet die Szene ebenfalls.

Nun betritt ein zweiter Hahn die Szene, landet allerdings auf der Spitze einer Fichte. Der Tänzer fliegt ebenfalls auf eine Fichtenspitze, gegenseitig kullern sie sich an. Derweil ziehe ich mich zurück zu den anderen, die zurückgeblieben sind. Silvan war etwas enttäuscht, ihm passte die Szenerie und das Licht nicht. Für mich war es sicher ein Fortschritt, das letzte Mal hatte ich ein schlechtes Objektiv, diesmal das grosse 500er. Und wenn dann da noch ein Wendehals zuoberst auf einem Baum ruft, ist es nahezu perfekt.

Das Frühstück ruft

Wir gehen zurück, es ist noch nicht acht Uhr. Bei den Tischen legen wir nochmals eine Pause ein, beobachten dort die Vögel. Zitronengirlitze fliegen umher, allerdings können wir sie nicht fotografieren. Dafür gelingen uns weiter unten schöne Bilder einer singenden Klappergrasmücke. Bei der Alp Schlund hoffen wir wie das letzte Mal Zitronenzeisige fotografieren zu können, aber es ist grad viel Betrieb da, kein einziger der grün-grauen Vögel zeigt sich. Nun aber los, das Frühstück ruft! Wir treffen noch rechtzeitig ein, glücklich und zufrieden, lassen uns das reichhaltige Buffet schmecken. Den Rest des Tages ruhen wir uns aus, es ist sowieso zu heiss für grosse Sprünge.

Adieu Salwideli, bis zum nächsten Mal

Am Abend erreicht uns eine Whatsapp von Fabian: „Ich gehe morgen äuä auf die Marbachegg. Dann könnte ich euch vielleicht mitnehmen.“ Das verkürzt unsere Heimreisezeit natürlich massiv, obwohl es mir nichts ausgemacht hätte, den ganzen Weg mit dem ÖV zu machen. Wir verabreden uns in Schüpfheim auf 12 Uhr. Der Plan für den letzte Tag ist simpel: Absteigen zur Postautohaltestelle und nach Hause, denn auch heute wird es wieder heiss. Zuerst aber geniessen wir ein letztes Mal das Frühstücksbuffet.

Wir verabschieden uns von der Gastgeberin und steigen den Wanderweg ab. Die Landschaft ist einfach wunderschön mit diesen vielen Mooren. Auch hier machen sich Klappergrasmücken, Baumpieper und Kuckuck bemerkbar. Wir erreichen die Haltestelle, wo auch schon bald das Postauto kommt und uns nach Schüpfheim bringt. Kurz darauf kommt auch Fabian, der an der Marbachegg biken gewesen war. Es waren wunderbare Auffahrtstage, wo wir vorzüglich aufgehoben waren im Salwideli. Bis zum nächsten Mal!

Infos

Die Gegend um das Salwideli liegt in der Kern- und Pflegezone der UNESCO-Biosphäre Entlebuch. Ornithologische Informationen gibt es auf der Seite von Birdingplaces.

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