Im Naturparadies Fanel können sich die Ornitholog*innen austoben. Wer beim alljährlich stattfindenden Birdrace vorne dabei sein will, muss hier vorbeikommen, nirgends in der Schweiz gibt es mehr Vogelarten auf so kleinem Raum als hier. Grund genug für uns, wieder einmal vorbeizuschauen, zumal wir sowieso in der Gegend waren, weil wir unseren älteren Sohn in der RS* in Payerne besuchten.
Lage
Das Fanel liegt quasi in einem „Dreiländereck“ der Kantone Bern, Waadtland und Neuenburg. Es ist Teil der Grande Cariçaie, einem Verbund von Naturschutzgebieten dem ganzen Südufer des Neuenburgersees entlang.
Das Besucherzentrum La Sauge
Das von BirdLife Schweiz betriebene Besucherzentrum La Sauge liegt am östlichen Ende des Neuenburgersees, wo der Broyekanal in den See mündet. Eine kleine Dauerausstellung führt in das Gebiet ein, dazu kommt jeweils eine Sonderausstellung. Damit nicht alles Theorie bleibt, kann man auf Pfaden das Gebiet durchstreifen. Am Rande des Auenwaldes laden Hides zum Beobachten der Tierwelt ein. Am kleinen Teich kann man mit etwas Glück die Eisvögel beim Brutgeschäft beobachten, am grossen Teich findet man Wasservögel und Limikolen.
Im Naturparadies Fanel
Wir weilten noch in Payerne, als uns Silvan bereits mit seinen Beobachtungen beglückte: Einen Löffler und eine Weisswangengans. Er reiste direkt ins Fanel, den Bruder besuchen war ihm nicht wichtig (und umgekehrt, da sind sie sehr pragmatisch). Gegen Abend und nach dem Einchecken in der Auberge La Sauge gehen wir zu Dritt dem linken Ufer des Broyekanals entlang. Uns fallen die vielen singenden Fitisse auf, ein Vogel, der bei uns zu Hause nur während des Durchzugs vorkommt. In den Bäumen auf der anderen Seite des Kanals nisten die Kormorane. Auf dem Weg davor stehen zwei Beobachter, die wohl irgendwas entdeckt haben. Ich schaue auch in diese Richtung und entdecke – einen Nachtreiher!
Nach dem Auenwald folgt das Röhricht, wo wir die typischen Schilfbewohner hören und/oder sehen: Rohrammer und Rohrschwirl. Am gegenüberliegenden Ufer entdecken wir einen Flussuferläufer, wo auch eine Nachtigall irgendwo im Gebüsch sitzt und aus Leibeskräften singt. In der Ferne, im Auenwald, hören wir den ersten Kuckuck der Saison. Nun aber treibt uns der Hunger zurück zur Auberge.
Bis es dunkel wird
Nach dem Essen packen wir nochmals unsere Sachen und machen uns auf die andere Seite des Kanals auf. Auf den Feldern grasen dutzende Schwäne, darunter gemischt ein paar Graugänse. Die Kormorane suchen ihre Schlafplätze auf, einige sind aber immer noch damit beschäftigt, Nistmaterial heranzuschaffen. Wir gehen zum Beobachtungsturm, darum herum schwirrt eine Fledermaus. Die Sonne ist hinter dem Jura verschwunden, das Abendrot leuchtet über dem See. In der Nähe hören wir Vögel, sehen sie aber nicht. Wir vermuten Bartmeisen. Sonst tut sich nicht viel, aber es ist schön. Wir bleiben, bis es ganz dunkel ist, bevor wir den Rückweg antreten.
Und wieder früh raus
Bereits kurz nach sechs Uhr am nächsten Morgen sind wir wieder draussen, es dämmert. Auf dem Broyekanal schlafen die Schwäne immer noch. Wir bleiben am linken Ufer, im Auenwald herrscht bereits Hochbetrieb, die Vögel singen. Gegen Osten verfärbt sich der Himmel zunehmend rot, dann von rot zu golden. Die Kormorane brechen auf, immer wieder fliegen kleine Trupps Richtung Murtensee. Über dem Kanal schwebt Nebel, es ist wunderschön.
Es ist fantastisch, dem Morgen beim Erwachen zuzuschauen, noch ganz alleine, keine anderen Leute. Im Wasser schwimmt ein Biber, die Schwäne sind inzwischen erwacht. Es ist nicht still, aber ruhig, eine Ruhe, die nur die Natur geben kann.
Wir sind nun wieder auf der Höhe des Röhrichts, wo sich wie gestern der Rohrschwirl bemerkbar macht durch seinen anhaltenden, zirpenden Gesang. Vom Hide aus, der am Dammweg liegt, können wir auch Rohrammern beobachten. Auch auf dem Wasser tut sich immer mehr. Kormorane fliegen auf- und abwärts, die Fluggeräusche der Schwäne sind schon von weitem zu hören.
Nach der goldenen Stunde belebt sich auch der Damm, es kommen ein paar Birder. Aber Gleichgesinnte stören ja nicht (oder selten). Der Damm führt auf den See hinaus, links und rechts von uns ist jetzt Wasser. Hier ist das Reich der Wasservögel wie Möwen und Enten. Und der Flussseeschwalben, die hier ihre Flugkünste vorführen. Was für ein Erlebnis! Wir saugen jeden Augenblick ein, geniessen die Ruhe, nur ergänzt durch die Rufe und Gesänge der Vögel.
Nun plagt uns aber der Hunger, denn wir sind ohne Frühstück aufgebrochen. Wir kehren also in die Auberge zurück und geniessen dort auf dem Balkon an der Sonne ein reichhaltiges Frühstück. So könnte das für mich noch tage- ja wochenlang gehen!
*) Rekrutenschule
Lieber Urs, was für ein phänomenaler Beitrag! Wohlgesetzte Worte. Großartige Fotos. Es wird der wunderschönen Natur sicher nur annähernd gerecht. Dafür müsste ich vor Ort sein. Dennoch gelingt Dir, mich tief in Resonanz zu bringen. Was für ein Juwel. Besonders schön: „Es ist nicht still, aber ruhig, eine Ruhe, die nur die Natur geben kann.“ Das fühle ich und verstehe sofort, wie es Dir dort ging. Vielen Dank fürs Teilen. Franziska <3
Liebe Franziska, vielen herzlichen Dank für deine Worte! Es freut mich, wenn ich in diesen dunklen Zeiten etwas Abwechslung bieten kann.