Für Anfänger geeignete Klettergebiete gibt es viele, aber bei idealen Mehrseillängenrouten ist die Auswahl schon sehr übersichtlich. Etwas vom Besten ist dort, wo man es nicht unbedingt erwarten würde: In der Nähe der Autobahnverzweigung Härkingen, in Egerkingen im Kanton Solothurn.
Der Wechsel vom Mittelland zum Jura ist abrupt: Gleich hinter dem Ort Egerkingen bäumt sich die erste Jurakette auf. Und mit ihr die Egerkinger Platte, einem ehemaligen Steinbruch. Wenn man es genau nimmt, ist es eigentlich die Oberbuchsiter Platte, den sie steht auf dem Gebiet der Gemeinde Oberbuchsiten. Die Arbeiter damals hätten jedenfalls wohl nicht gedacht, was für eine Spielwiese sie hinterlassen würden. Uns Kletterer freut das, vor allem jene, die mit Anfängern arbeiten. Denn es gibt eigentlich alles, was es braucht, um sie in den Klettersport einzuführen: Gefahrloser Zugang, Stände am Wandfuss zum üben, einfache Routen, wo sich Anfänger auch im Vorstieg hochwagen und sich auf die Seilhandhabung konzentrieren können und, wie erwähnt, Routen mit bis zu sechs Seillängen im vierten Schwierigkeitsgrad. Abgerundet wird das ganze durch mehrere Feuerstellen. Da man mit dem Auto fast bis zu den Feuerstellen fahren kann, zieht das Gebiet leider nicht nur Kletterer an, sondern auch Leute, die sich nicht zu benehmen wissen und jede Menge Abfall überall hinterlassen.
Wegen schlechten Wetteraussichten verkürzten wir unsere traditionelle SAC-Familientour auf einen Tag und verlegten sie an ebendiese Wand. Die meisten Teilnehmer waren wenig oder nicht erfahren im Klettern, schon gar nicht von Mehrseillängenrouten. Wir trauten aber denen das zu, spannten auch unsere beiden Kinder als Seilführer ein.
Meine Frau ging mit ihren beiden „Gästen“ voran, immer auf die folgende Seilschaft acht gebend, unseren Jüngsten und einer ähnlich alten Klettererin. In einer anderen Route starteten Fabian und Robi, die beiden zwölfjährigen Jungkletterer. Ich sah sie noch in der ersten Seillänge, danach erst wieder am Ausstieg. Wie die Wiesel kraxelten sie Wand hoch. Dann folgte ein Vater-Sohn-Gespann, denen ich assistierte. Bei mir am Seil waren die Eltern von Robi. Die morgendliche Kühle wich bald einmal, wir konnten im T-Shirt klettern. Überall in der Wand wurde geklettert und gearbeitet. Die einen hatten die Seilhandhabung besser, die anderen etwas weniger im Griff. Wir Leiter konnten aber immer helfen, wenn es nötig war, denn man konnte gut parallel klettern.
Es wurde immer heisser, man zog Pullover aus und wechselte von den Kletterfinken zu den Wanderschuhen, die Routen sind, zumindest im Nachstieg, auch damit machbar. Ich hatte aus den Sommerferien gelernt (eigentlich hätte ich es da schon gewusst) und habe meine „Plaisir“-Finken angezogen, also solche, die bequem sind.
So, noch zwei Seillängen, dann hatten wir es geschafft. Am Ausstieg muss ein Band gequert werden. Wichtig ist, dass man keine Steine lostritt, denn die könnten die anderen Kletterer in der Wand treffen. Im kühlen Schatten des Waldes entledigten wir uns erstmal den Kletterutensilien. Wir hätten nun auch abseilen können, aber mit einer so grossen Gruppe Unerfahrener hätte das den ganzen Nachmittag beansprucht. Wir zogen deshalb den Fussabstieg vor, der nur rund eine Viertelstunde dauerte. Unten erwartete uns der arbeitslose Wanderleiter (es wollte ja niemand wandern), der uns dafür ein Feuer zubereitete, so dass wir gleich unsere Würste auf den Rost legen konnten. So lässt sich die Mittagspause geniessen.
Die Neulinge, die noch nie draussen geklettert waren, waren die Unersättlichsten. Sie wollten gleich wieder losklettern. So mussten wir uns aufraffen und machten uns auf zum rechten Teil der Wand. Dort konnten sie vorsteigen und abseilen üben in ungefährlichem Gelände.
Es gab zwar eine kurze Familientour, die aber rundum für zufriedene Gesichter sorgte.
Die Routen im rechten Wandteil sind im dritten, jene im linken im vierten Schwierigkeitsgrad.