Nach zwei Wochen Schamserberg hatten die Frau und ich noch fast eine Woche Zeit. Diese verbrachten wir in der Natur und beim Wandern am Lukmanier. Eine sehr gute Idee, wie sich herausstellte.

Eine lange Anreise

Eine Anreise von Wergenstein nach Acquacalda scheint eigentlich nicht so umständlich: Runter ins Tal, Hinterrheintal verlassen, Vorderrheintal hoch bis Disentis, dann noch über den Lukmanier, fertig. Die ganze Reise dauerte aber fast sieben Stunden, mit gut drei Stunden Aufenthalt in Disentis. Diese Zeit nutzten wir für einen Café-Besuch und einen Spaziergang. Bei leicht regnerischem Wetter trafen wir im Centro Pro Natura Lucomagno ein.

Durch die Selvasecca

Der nächste Tag ist regnerisch. Trotzdem wollen wir raus, da bietet sich der relativ kurze Rundweg durch das Naturwaldreservat Selvasecca (Infoblatt, nur italienisch) an. Wir erwischen grad einen trockenen Moment und gleichzeitig einen mystischen, Nebelfetzen hängen im Wald, alles glänzt vom Regen und verbreitet doch eine gewisse Düsternis. Wir entdecken nicht viele Tiere, aber die Arven und Fichten sind enorm beeindruckend, sie müssen zum Teil hunderte von Jahren alt sein. 

Wir erreichen die Alp Stabbio Nuovo, wo wieder ein leichter Nieselregen einsetzt. Der Abstieg ist nun einiges direkter, bald erreichen wir den Brenno, den Fluss im Talgrund. In einer Viertelstunde sind wir wieder zurück im Hotel, wo wir uns bei Kaffee und Kuchen aufwärmen.

Relive ‚Durch die Selvasecca‘

Zur Alp Dötra

Der Weg führt zuerst durch dichten Nadelwald, immer wieder unterbrochen durch Wiesen. Über uns thronen Felsen, die wir mit unseren Ferngläsern absuchen. Auf einem Felssims ragen frische Lärchenzweige heraus. Offensichtlich hat dort ein grosser Vogel seinen Horst, aber wir können keinen entdecken. Er wird uns die nächste Tage noch beschäftigen, aber das Rätsel können wir nicht lösen. Felsenschwalben fliegen umher und steuern immer wieder einen Punkt an: Das Nest mit Jungen. 

Wir erreichen Croce Portera, den höchsten Punkt der Wanderung. Die Älpler sind grad am Zaun stecken für die Kühe. Wir gehen in gebührendem Abstand an denen vorbei. Ein Braunkehlchen singt auf einem Baum, es gibt sie also auch hier. Etwas weiter macht der erste Baumpieper auf sich aufmerksam. Die Blumen blühen wunderschön, solche, die man nicht überall in den Bergen sieht.

Feldlerchen singen ebenfalls hier, wenn auch nicht so viele wie am Schamserberg. Bevor wir Dötra erreichen legen wir eine Rast ein und verpflegen uns, damit wir dort dann gleich zu Kaffee und Kuchen übergehen können. Es ist eine unruhige Pause, immer wieder reissen wir die Ferngläser hoch, weil ein Vogel auftaucht. Es kommen Bluthänflinge, Distelfinken, Amseln und noch mehr. 

Jetzt noch zehn Minuten Abstieg, dann sind wir in Dötra. Es gibt zwei Orte zum Einkehren, wir entscheiden uns für die Capanna Dötra des SAT. Auf der Terrasse wird uns das Gewünschte serviert, das wir mit Genuss verzehren. 

Für den Rückweg wählen wir einen Weg weiter unten, der aber auch zum Croce Portera führt. Wir entdecken wieder zahlreiche Braunkehlchen mit Futter für die Jungen und umherziehende Bluthänflinge. Vom Kreuz her steigen wir den gleichen Weg wieder ab zu unserer Unterkunft, verfolgt vom Gebimmel einer Kuhherde, die aber glücklicherweise einen anderen Weg nimmt.

Relive ‚Wanderung zur Alp Dötra‘

3-Pässe-Wanderung

Wir nutzen den gemäss Wetterprognose letzten schönen Tag unseres Aufenthaltes für eine grosse Wanderung. Nicht weniger als drei Pässe wollen wir erwandern. Das tönt jetzt anstrengender als es ist. Wir steigen wieder die Selvasecca hoch, wandern diesmal weiter Richtung Passe del Sole. Bei Lareccio ertönt Lärm aus dem Wald, Arbeiter sind am Ausbessern des Wanderweges. Da nimmt man das in Kauf. Nach Rondadöira wird der Weg etwas flacher, wir sind nun über der Waldgrenze. Murmeltiere ruhen vor ihren Bauten, beobachten uns teils interessiert, teils gelangweilt. Jedenfalls hat keines einen Grund, Warnrufe auszustossen. Dafür warnen kurz unterhalb des Passo del Sole welche, die wir nicht mal erblicken. Nach gut 600 Höhenmetern ist der erste Pass erreicht.

Auf der anderen Seite versperrt ein Schneefeld den Weg. Abrutschen ist zu gefährlich, da man nicht sieht, wie es unten endet. Wir überqueren es vorsichtig und steigen auf ziemlich nassen Pfaden ab. Dabei überqueren wir auch einen Murgang, der sich wohl erst vor kurzem ereignet hat. Ein riesiger Felsblock liegt mitten in der Wiese. Bald blicken wir ins Val Piora. Die Pioramulde wurde ja während des Baus des Gotthard-Basistunnels berühmt, da sein zuckerförmiger Dolomit den Bauingenieuren Kopfzerbrechen bereitete, aber auch diese Herausforderung meisterten sie erfolgreich. 

Zwei weitere Pässe fast gratis

Wir steigen nach der Rast noch ein wenig ab, bevor es hoch geht zum Passo dell’Uomo. Ein wirklicher Aufstieg ist das nicht, es sind nur rund 20 Höhenmeter. Von dort geht es hinunter zum nächsten Pass, dem Lukmanier, da machen wir gar keine Höhenmeter aufwärts. Die Zahl der Leute hat nun markant zugenommen, wir befinden uns hier auf einer Hauptwanderroute für Hüttenwanderer. Und zum zweiten Mal am heutigen Tag überqueren wir den den Gotthard-Basistunnel. Vor uns liegt der Stausee Lai da Sontga Maria mit einem Stromleitungsmasten mittendrin. Am Ufer des Sees entdecken wir einige Braunkehlchen.

Absteigen oder Bus?

Auf dem Pass nun die Entscheidung: Warten und den Bus nehmen oder zu Fuss absteigen zum Centro? Für den Wanderweg wird eine Stunde und zehn Minuten angegeben. Mit dem Bus, der in gut einer Stunde fährt, wären wir dann etwa zur gleichen Zeit zurück. Wir entscheiden uns für den Fussweg, denn wir kennen die Landschaft ja erst aus dem Bus. Diese ist abwechslungsreich, Weiden, Flussläufe, Moore, Wälder durchqueren oder folgen wir, bevor wir das Centro erreichen, nur ganz kurz nach dem Bus.

Relive ‚Passo di Sole – Passo del Uomo – Passo di Lucomagn‘

Herumstreifen ums Centro

Am letzten ganzen Tag waren immer wieder Gewitter angesagt, so dass wir keinen grossen Ausflug mehr unternahmen. Wir durchstreiften die Gegen mit Fernglas und Kamera auf der Suche nach Vögeln und erfreuten uns nochmals an den uralten, knorrigen Bäumen. Schlussendlich hat es dann nie geregnet.

Unsere Unterkunft

Das Centro Pro Natura bietet Doppelzimmer und zwei Gruppenzimmer. Weiter ist ein Campingplatz angegliedert, es können auch winzige Bungalows oder Jurten gemietet werden. Im Restaurant kann man sich verwöhnen lassen, die meisten Zutaten zu den Gerichten sind aus der Region, der Käse zum Beispiel gleich von der Alp unterhalb des Zentrums. Auch das Bier ist aus der Region, es stammt von der kleinen Brauerei Selvatici aus Malvaglia, sehr empfehlenswert. Das Personal ist sehr freundlich und bemüht. Alles in allem lohnen sich ein paar Tage Aufenthalt hier sehr.

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