Auf dem Tourenprogramm des SAC Hombeg stand „Flora & Fauna“. Klar, dass sich die Familie Kyburz da anmeldet. Zumal die Tour von einem ausgewiesenen Fachmann, zusammen mit seiner Freundin, organisiert und geleitet wurde. Und wir wurden nicht enttäuscht: Ein Highlight jagte das andere, es war eine regelrechte Safari im Wallis. Am Schluss der zwei Tage waren wir einhellig der Meinung, dass sich die lange Anfahrt extrem gelohnt hat. Und wir haben uns für nächstes Jahr gleich wieder angemeldet oder besser gesagt grosses Interesse bekundet an einer Wiederholung. 

Der alte Rottenarm
Der alte Rottenarm

Auf Safari

Das Wetter diesseits der Alpen ist durchzogen, es regnet manchmal, weitere Schauer sind angesagt. Wir hoffen auf bessere Bedingungen im Wallis. Und werden nicht enttäuscht, die Sonne scheint nach dem Lötschbergtunnel. Wir fahren weiter nach Turtmann, ein Kaffee liegt nicht drin. Aber wer will schon Kaffee bei der Aussicht auf einen tollen Tag. Nichts wie los! Wir schlendern auf einer Strasse, die mit einem Fahrverbot belegt ist. Im Wallis sind aber Fahrverbote anscheinend nur Empfehlungen, dauernd fährt wieder ein Auto an uns vorbei.

Wir konzentrieren uns aber sowieso auf die Wiesen und Weiden. Dort stehen einige uralte, dicke Silberweiden, dazwischen grasen Ehringer Kühe, die berühmten Kampfkühe. Über der Idylle rüttelt ein Turmfalke, und da, auf dem Weidepfosten, das ist ein… Braunkehlchen? Nein, ein Schwarzkehlchen. Diese sind leider, wie viele andere Vögel auch, sehr selten geworden. Und hinten, vor dem Schilf, im Gras, da… ja, da lugen zwei grosse Ohren hervor. Ein Feldhase! Er duckt sich, hoppelt dann davon. Weiter vorne kommen Teiche ins Blickfeld.

Farbige Vögel

Philipp, der Tourenleiter, schaut durchs Fernglas: „Yessss!“, entfährt es ihm. „Was ist?“, fragt meine Frau. „Nichts, nichts“. „Jetzt sehe ich es auch“, meldet sich Fabian. „Was denn?“ Die Frau vergibelt fast. „Na eben, nichts“, entgegnet Fabian grinsend. Ich schaue auch durchs Fernglas. Diese Vögel, so bunt, das sind ja… Bienenfresser! Wunderschöne, farbenprächtige Vögel und schon lange auf der Wunschliste unseres Jüngsten. Wie grosse Schwalben jagen sie Insekten, vor allem Bienen, Wespen und Hornissen, die sie nach dem Fang auf einen Ast schlagen, um das Gift auszutreiben. Wir schauen aber nicht nur in die Weite, sondern bewundern auch die Blumen gleich vor uns: Esparsette, Klappertopf, Kornblume, Flockenblume und viele mehr blühen da. Dass da in unserem Rücken die Autobahn A9 entsteht, kümmert uns jetzt nicht. Aber in Zukunft wird es nicht mehr so idyllisch sein.

Noch mehr Seltenheiten

Im Schilf singt ein Vogel, nach längerem Suchen entdeckt ihn Philipp mit dem Fernrohr. Aber es gelingt uns nicht, ihn zu identifizieren. Er gehört wohl zu den Rohrsängern oder Laubsängern, Vogelfamilien, deren Arten optisch kaum zu unterscheiden sind. Auf dem weiteren Rundgang kommen wir an weiteren mächtigen Bäumen vorbei. Auf einer Halbinsel machen wir mal Pause und lassen die ganze Landschaft auf uns wirken. Wunderbar! Und was fliegt da vorbei? Ein Nachtreiher, einfach so. Dabei sind die auch so selten! Da fliegt eine Sensation an der anderen herum.

Beim Weitergehen blicken wir auf die angrenzende Wiese. Auf einem der Sträucher sitzt ein Neuntöter, ein Vogel, den es in unseren ausgeräumten Landschaften kaum mehr gibt. Er hat die Angewohnheit, seine Beute (Insekten, Reptilien, Amphibien, kleine Vögel und Säugetiere) auf Dornen aufzuspiessen. Früher glaubte man, er spiesse zuerst neun Tiere auf, bevor er diese zu fressen beginnt, daher auch der Name. Wir erreichen einen Hide, allzu viel gibt es aber nicht zu sehen. Etwas weiter, auf einem Hügel, steht eine Sichtschutzwand. Diese interessiert uns nun mehr. Denn von dort aus kann man die Bienenfresserkolonie beobachten.

Brutplätze der Bienenfresser

Nur wenige Meter vor uns sitzen sie auf Ästen, fliegen umher und kommen mit Beute zurück, die sie dann auch tatsächlich auf einem Ast erschlagen. Am senkrechten, sandigen Ufer der Insel sehen wir die Brutröhren, wo die Vögel ein- und ausfliegen oder auf Nahrung des Partners warten. Einfach wunderschön, diese Vögel! Irgendwie passen sie gar nicht recht hier hin, in die Berge, man wähnt sich eher in Afrika, wo auch die meisten Vertreter dieser Gattung leben. Lange gucken wir dem Schauspiel zu, ehe wir zurückkehren. Unterwegs hören wir immer wieder den Gesang der Feldlerche. Als unvermittelt eine vor uns singend auffliegt, schauen wir ihr nach. Wir müssen den Kopf immer mehr in den Nacken legen, so hoch fliegt sie.

Zurück beim Fahrzeug die Frage: Was machen wir nun? Vorschlag des Tourenleiters: Wiedehopf suchen. Akzeptiert!

Auf der Suche nach dem Wiedehopf

Der Wiedehopf ist ein schöner, etwas taubengrosser Vogel mit einem markanten Schopf und einem langen, gebogenen Schnabel. Er ernährt sich von Grossinsekten. Und ein solchiger soll sich bei den Antennenanlagen oberhalb Leuk tummeln. Also nichts wie hin. Wir durchstreifen das Gelände, entdecken viele interessante Tiere und Pflanzen, aber keinen Wiedehopf.

Wir steigen wieder einen Wanderweg hoch, also ich einen speziellen Ruf höre: Up-up-up. „Das ist er!“, ruft Philipp begeistert. Wir schleichen nun in Richtung der Rufquelle. Tatsächlich, da sitzt er auf einer abgestorbenen Föhre und ruft. Aber sobald er uns bemerkt hat, fliegt er davon. Wir gehen wieder zurück und weiter auf dem Wanderweg hoch. Da hören wir abermals den Ruf, ganz in der Nähe. Wieder schleichen wir uns an, und wieder sitzt er auf einer Föhre. Wunderbar! Nun kann Silvan wieder einen Vogel auf seiner Wunschliste abhaken. Wir wandern weiter, vorbei an wunderschön blühenden Wiesen, wie man sie bei uns ebenfalls kaum mehr findet. Donner grollt, gegen Leukerbad hoch ist schwarz. Wir gehen einen Zacken schneller, erreichen das Auto noch trocken.

Am Abend, nach dem Nachtessen in unserer Unterkunft in Ausserberg, vertreten wir uns nochmals die Füsse. Mit dabei haben wir einen „Bat Detector“, um die Rufe der Fledermäuse hörbar zu machen. In jugendlichen Jahren hörte ich die Flattertiere noch ohne technische Hilfsmittel, aber bekanntlich wird der hörbare Frequenzumfang mit zunehmendem Alter kleiner. In der Tat hören wir jeweils ein Knacken, wenn eine Fledermaus in der Nähe ist. Da wir aber keinen Spezialisten für die Fledertiere dabei haben, können wir die Art unmöglich bestimmen, interessant ist es aber allemal.

Auf der Lötschberg Südrampe

Am nächsten Morgen begrüsst uns am Bahnhof Ausserberg ein Gartenrotschwanz mit seinem Gesang. Wir fahren mit dem Zug eine Station weiter nach Hohtenn, wo wir unsere Wanderung zurück starten. Allerdings nehmen wir nicht den normalen Höhenwanderweg, sondern steigen zuerst hoch Richtung Alp Joli. Wir wandern durch Föhrenwald, Nebel umgibt uns. Föhren sind genügsame Bäume und kommen auch mit anspruchsvollen Biotopen wie hier an den heissen Südhängen klar. Hier haben sie keine Konkurrenz, für Buchen und Fichten ist es zu trocken und zu heiss. Dafür leiden sie unter dem Kiefern-Prozessionsspinner, dessen Raupen ganze Bäume zum Absterben bringen. Wir hören bekannte Vögel, aber auch eine Stimme, die wir nicht einordnen können, ausser unser Tourenleiter. Es handelt sich um einen Berglaubsänger. Zwischendurch ist das Gelände felsig, wir befinden uns in der Walliser Felsensteppe.

Viele Blumen säumen den Weg. Eine Teilnehmerin hat die „Flora Helvetica“ mitgenommen, das über 1600-seitige (!) Standardwerk zur helvetischen Blumenwelt. Beim „Chrizji“ (das heisst wohl Kreuz) steigen wir wieder abwärts zur Bahnlinie und unterqueren diese. Hundert Meter tiefer ist es gleich wärmer, ideal für Schmetterlinge. Es flattern denn auch viele umher, Schachbrett,  Aurorafalter, Kleiner Fuchs, Braunauge und die grossen und seltenen Apollofalter. Wir folgen nun der „Lüögjerusuon“ (fragt mich nicht, was das heisst) zu einem Tunnel und einer Hängebrücke, die für den heutigen Nervenkitzel sorgen.

Vom Weg überblicken wir das halbe Rhonetal. Beim Anblick habe ich gemischte Gefühle: Einerseits die Natur mit Bächen, Wiesen, Wäldern, andererseits der ganze Siedlungsbrei, die Strassen, die Zersiedelung. Wie ein Krebsgeschwür frisst sich die „Zivilisation“ in die Landschaft (ich will damit nicht behaupten, dass es zu Hause besser ist). Nun denn, wir wandern weiter, entdecken unterwegs eine grosse Holzbiene, die ihre Eier in Totholz ablegt. Beim „Chrüter Beizli“ rasten wir, bevor wir weiter gehen zum Eingang des Bietschtales. Dort hinten verspricht uns Philipp weitere schöne Beobachtungen. Der Weg ist gelb markiert, dafür aber ganz schön ausgesetzt.

Steinböcke und Adler

Auf einer Felskanzel äugt Kathrin mit dem Feldstecher in ein Couloir. „Dort sind Steinböcke“, vermeldet sie. Wir schauen mit unseren Ferngläsern. Fünf Exemplare können wir ausmachen. Sie liegen oder stehen und kauen genüsslich, sie scheinen den Frieden zu haben. Wir wandern weiter, Philipp hat noch eine Überraschung parat. Weit hinten im Tal zeigt er uns in einer Felswand einen Adlerhorst. Dieser wird bereits seit Jahren vom gleichen Adlerpaar benutzt. Nach diesem letzten Höhepunkt sehen wir zu, dass wir ohne grössere Pausen nach Ausserberg kommen. Es geht mässig auf und ab, ein wunderbarer Rastplatz mit Aussicht über das Rhonetal würde zu einem Halt einladen, unser nächster Halt ist aber in Ausserberg im Hotel Bahnhof, wo wir die Tour beschliessen und unseren Durst löschen.

Damit Enden zwei hochspannende Tage im Wallis, die wir sehr genossen haben. Beim Jüngeren wirkten sie noch bis am Abend nach. Aus seinem Zimmer drangen noch länger „Up-up-up“-Rufe… Einen herzlichen Dank an das Leiterpaar für die hervorragende Organisation und Durchführung. Schade, haben nicht mehr Leute die Gelegenheit genutzt.

Info

Naturpark Pfyn-Finges

Die Teiche am ersten Tag sind Teil eines Altarmes des Rotten, wie die Rhone im Oberwallis heisst, und gehören zum Naturpark Pfyn-Finges. Der Naturpark ist ein ornithologischer Hotspot in der Schweiz.

Höhenweg Lötschberger-Südrampe

Dieser Weg ist ein Klassiker. Er ist 26 Kilometer lang und führt von Hohtenn nach Brig. Er führt entlang der BLS-Südrampe durch die Walliser Felsensteppe.

Flyer der BLS

Hotel Bahnhof in Ausserberg

Genächtigt haben wir im Hotel Bahnhof in Ausserberg, das treffernderweise gleich beim Bahnhof steht. Unser Zimmer war nicht luxuriös, ohne eigenes WC, aber für eine Nacht reichte es völlig. Die Menukarte ist nicht gross, aber die gängigen Walliser Spezialitäten findet man darauf. Das Frühstücksbuffet ist reichhaltig und gibt genug Energie für die nächste Wanderetappe.

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