Skifahren neben der Piste wird immer attraktiver. Der SAC Homberg war schon immer dort unterwegs auf Skitouren. Um Unglücke zu verhindern, findet alljährlich der Lawinenkurs statt, so auch in diesem Jahr. Die Wetteraussichten waren nicht rosig, Schneefall, Sturm und kalte Temperaturen waren angesagt. Also ideal, für einen Kurs. Es wurde ein stürmisches Wochenende am Oberalppass.
Start an der Wärme
22 Teilnehmer und Leiter, der Jüngste elf, der Älteste 75 Jahre alt, trafen sich am Samstagmorgen in Andermatt. Mit dem Zug fuhr die Gruppe auf den Oberalppass, wo es, wie angekündigt, waagrecht schneite. Ein Grund, zuerst ein Restaurant aufzusuchen, wo die Teilnehmer vom Kursleiter Dani Forrer offiziell begrüsst wurden. Nach einer Einführung wurden zwei Gruppen gebildet. Es galt nun, den sichersten Weg in die Maighelshütte zu finden. War das überhaupt möglich? Immerhin lag die Gefahrenstufe auf «erheblich». Man befand, dass es möglich ist.
Also mummelten wir uns ein und traten vor die Tür, wo es immer noch schneite und stürmte. Die Tour startete gleich mit einer Abfahrt. Allerdings war das nicht lustiges Wedeln oder Carven, sondern In-der-Spur-Fahren, damit man auf der flachen Strasse überhaupt vorwärts kam. Trotzdem ergab sich dann und wann mal ein kleiner Hang, den man gefahrlos befahren konnte. Lange währte die Abfahrt nicht, schon bald mussten wir die Felle montieren.
Ein Lawinenunfall!
Nun begann der Aufstieg zur Maighelshütte. Zwischendurch konnte man sogar die Sonne durch die Wolken erahnen. War das die Wetterwende? Ich führte die Gruppe an, bis Junior 1 Fellprobleme hatte. Die alten Felle klebten bei den tiefen Temperaturen nicht mehr richtig. Wir befestigten sie grosszügig mit Panzertape, als plötzlich jemand entgegengerannt kam. «Lawinenunfall, Lawinenunfall!» Sofort wurde ein Unfallplatzverantwortlicher bestimmt, der die Rettung organisierte. Zwei Personen, die mit dem Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) nach Vermissten suchten, mehrere Personen, die die gefundenen Opfer ausgruben und weitere Posten wurden besetzt.
Der Schnee war hier an diesem Hang mehr als hüfttief, was ein Vorwärtskommen ohne Skis unmöglich machte. Nach längerer Suche hatten wir alle Verschütteten gefunden. Natürlich gehörte das alles zur Übung. Es vermittelte aber einen Eindruck, wie anspruchsvoll und anstrengend so eine Rettung ist. Oberstes Gebot auf Skitouren ist deshalb: Gar nie in eine Lawine geraten. Auf Skitouren hat jeder ein LVS dabei, aber bei Unfällen neben der Piste oder wenn das LVS (trotz Kontrolle) nicht funktioniert, muss mit Lawinensonden gesucht werden. Auch dies übten wir in der Gruppe.
Im Sturm zur Hütte
Nach dieser intensiven Übung setzten wir den Aufstieg zur Hütte fort. Das Wetter war nicht besser geworden, im Gegenteil, Schneefall und Sturm setzten wieder ein. Der Weg war einfach zu finden, alle paar Meter steht eine Stange zur Orientierung. Unsere Familie fiel zurück, wir schauten selber für unsere Kinder. Das war kein Problem, da wir ja selber erfahrene Leiter sind. Tapfer liefen die Jungs in Sturm und Kälte hoch, ohne Murren oder Jammern. Gegen Schluss riss die Wolkendecke nochmals etwas auf und zeigte die umliegenden Berge, nur um bald darauf diese wieder zu verhüllen. Am späteren Nachmittag waren alle in der Maighelshütte angekommen.
Nachbesprechung
Nachdem sich alle eingerichtet und verpflegt hatten, ging der Kurs in der Wärme weiter. Im ersten Teil wurde die Übung besprochen. Was war gut? Was hätte man besser machen können? War etwas falsch? Eine angeregte Diskussion kam in Gang und sorgte bei dem einen oder anderen nachträglich für Aha-Erlebnisse. Wir fassten nochmals zusammen, wie bei einem Unglück vorzugehen ist (abhängig von der Gruppengrösse):
- Eine(r) ist der Chef/die Chefin
- Die Erfahrensten gehen mit dem LVS suchen
- Jemand beobachtet das Geländer über dem Unfallplatz wegen Nachlawinen
- Rega alarmieren
- Übrige Personen schaufeln und bergen die Verschütteten
Nach diesem Rückblick gab uns der Umweltingenieur Philipp Schuppli einen interessanten Einblick in das Leben der Wölfe, insbesondere über das berühmte Wolfsrudel am Calanda. Aus den Ausführungen des Fachmannes lässt sich schliessen, dass einmal mehr nicht die Natur, sondern der Mensch das Problem ist.
Es ist bitterkalt!
Am nächsten Morgen sah es noch trüber aus draussen. Der Sturm toste immer noch, es schneite immer noch waagrecht, die Sichtweite betrug nur wenige Meter. Und das Thermometer zeigte -16 Grad an! Trotzdem wollte der Kursleiter noch LVS suchen. Man machte sich bereit, zog an, was man dabei hatte. Die Gruppe fuhr auf die Eben hinunter, kehrte aber bald wieder um. Es war schlichtweg nicht möglich, bei diesem Wetter eine Übung durchzuführen. Zudem drohten Erfrierungen bei diesen Temperaturen und dem Wind. Mit dem Windchill-Faktor betrug die gefühlte Temperatur beinahe -30 Grad! Man kehrte deshalb vernünftigerweise in die Hütte zurück und stärkte sich erstmal.
Ende eines lehrreichen Wochenendes
Doch irgendwann mal sollte auch dieser Kurs ein Ende finden, wir mussten also wieder ins Tal zurück. Die Hombergler machten sich daher bereit für die Abfahrt. Der Kursleiter voraus suchte den Weg, was bei dieser Sicht nicht einfach war. Oben weiss, unten weiss, links, rechts. Endlich die erste Stange, die Sicht wurde mit der Zeit auch besser, der Wind liess nach. Ein langer, farbiger Tatzelwurm fuhr dem Tal entgegen. Dort, wo gestern die Lawinenübung stattfand, war es schon fast angenehm. Wir setzten den Weg fort, fuhren auf der Passstrasse weiter nach Tschamut, dem ersten Ort auf der Bündner Seite des Oberalppasses.
Niemand wehrte sich gegen die Anweisung des Kursleiters, im nächstbesten Restaurant etwas Warmes zu trinken. Mit dem Zug fuhren wir über den Oberalppass zurück nach Andermatt. So fand dort der interessante Kurs ein Ende, der gewiss lange in Erinnerung bleiben wird. Vor allem wegen dem Wetter. Und unserer Familie zusätzlich dadurch, dass das Auto nicht ansprang…
Die Maighelshütte ist sowohl im Winter wie im Sommer ein beliebtes Ziel, ob für Tourenfahrer, Wanderer oder Biker.