Eines der faszinierenden Natuphänomene ist der Vogelzug. Jeden Frühling und jeden Herbst ziehen Millionen Vögel Tausende von Kilometer in den Süden oder vom Süden zurück. Um dessen Geheimnisse zu lüften, markieren Spezialisten Vögel mit Ringen. Wie das geht, konnten wir in Rothenthurm in einer der grössten Moorlandschaften der Schweiz erfahren.
Jedes Jahr führt Birdlife Schwyz Beringungen von Vögeln durch im Rothenthurmer Moor. Diesem Ereignis können auch Interessierte beiwohnen und den Fachleuten Fragen stellen. So machten auch wir uns auf nach Rothenthurm. Die Gegend kannten wir vom letzten Herbst her, diesmal konnten wir aber das schöne Wetter geniessen. Bei der „Beringerhütte“, die eigens für diesen Zweck erstellt wurde, war schon einiges los. Eine Gruppe war bei den Fangnetzen und lauschte den Ausführungen eines Fachmannes.
Illegaler Vogelfang
„Wozu werden solche Netze sonst noch aufgestellt?“, fragt er in die Runde. „Um die Vögel zu fangen und anschliessend zu verspeisen“, kam es aus der Runde zurück. Richtig, im Mittelmeerraum werden jeden Herbst und jeden Frühling Millionen von Vögel gefangen und gegessen. Obwohl in der ganzen EU verboten, werden auch in Italien, Frankreich, Spanien und Zypern, aber auch in anderen Ländern die Vögel abgeschossen und mit Netzen oder Leimruten gefangen.
Dabei wird nicht unterschieden, ob es sich um „Allerweltsarten“ oder seltene Arten handelt, gegessen wird, was man erwischt. Da wird bei uns ein riesiger Aufwand betrieben, um eine seltene Art wie den Kiebitz zu erhalten, nur um in Frankreich dann legal geschossen zu werden (was aber wohl wiederum dem EU-Recht widerspricht). Haben die Vögel geschafft, das Mittelmeer zu überqueren, warten in Ägypten auf einer Breite von 700 Kilometer weitere Fangnetze, dies sogar in mehreren Reihen, Millionen von Vögeln landen im Kochtopf, illegal.
Hier in Rothenthurm werden die Netze zum Glück nur für wissenschaftliche Zwecke aufgestellt. Sie sind so verteilt, dass sie verschiedene Lebensräume abdecken: Offenes Land, Hecke, Wasserlauf.
Interessante Fakten aus der Vogelwelt
Bei der Beringerhütte wurde ein Zelt aufgestellt, auf einem Tisch stehen verschiedene Vogelpräparate. Wieder erzählt uns der Experte interessantes aus der Vogelwelt. Ein paar Fakten aus den Ausführungen:
- Die Pfuhlschnepfe fliegt bis zu 14’000 Kilometer nonstop in rund elf Tagen vom Brutgebiet ins Überwinterungsgebiet.
- Die Küstenseeschwalbe zieht jeweils auch in den Süden, allerdings von der Arktis in die Antarktis und zurück, Jahr für Jahr
- Fitis und Zilpzalp sind optisch kaum zu Unterscheiden. Da der Fitis aber weiter fliegt, sind seine Flügel besser für Langstreckenflüge geeignet, während der Zilpzalp mit seinen kürzeren, runderen Flügel besser im Gebüsch manövrieren kann.
- Beim Wendehals könnte es irgendwann mal zwei Arten geben, da die skandinavischen Wendehälse ihr Wintergebiet südlich der Sahara haben, die mitteleuropäischen im Mittelmeergebiet, so dass sie sich genetisch nicht durchmischen.
- Die Bachstelze hat Deckfedern, die die empfindlichen Schwungfedern abdecken, wenn sie nahrungssuchend durchs Gras trippelt, das bekanntlich ziemlich scharf sein kann.
- Wiesenweihen brüten am Boden im Gras und sind daher in der Schweiz, wie alle Wiesenbrüter, äusserst bedroht. Warum nisten sie nicht auf den Bäumen? Diese Nische ist bereits durch stärkere Greifvögel wie den Mäusebussard besetzt und ein genetisches Programm kann nicht einfach so umgestellt werden von einer Generation zur anderen. Es ist zu befürchten, dass die Wiesenweihe ausgerottet ist bevor sie sich den neuen Gegebenheiten angepasst hat.
- Das Zaunkönig-Männchen baut mehrere Nester für seine Auserwählte. Diese begutachtet die Werke. Ist sie mit einem zufrieden, lässt sie sich begatten, damit ist dann der Job des Männchens erledigt, denn das Weibchen zieht die Brut alleine auf.
Vögel beringen
Dies und noch vieles mehr konnten wir erfahren. Bis jetzt hatten wir aber noch nicht gesehen, wie das mit dem Beringen geht. Stündlich werden die Netze überprüft, jetzt war es wieder so weit. Allerdings gehen die Helfer jeweils ohne Zuschauer, um die Vögel nicht noch mehr zu stressen. Sorgfältig holen sie sie aus den Netzen und stecken sie einzeln in Stoffsäcke, das beruhigt die Tiere.
Zurück beim Zelt werden sie einen nach dem anderen „bearbeitet“: Zuerst wird die Art bestimmt (was noch das Einfachste ist), danach die anderen wichtigen Parameter ermittelt: Die Flügellänge, der Allgemeinzustand, der mit einem Code angegeben wird, das Gewicht. Dazu wird der Vogel in einen Papiertrichter gesteckt. Das sieht ein wenig brutal aus, aber so verhalten sie sich ruhig. Zu guter Letzt befestigen die Beringer den Ring vorsichtig, der mit dem Kürzel der Vogelwarte Sempach und einem Code versehen ist. All diese Daten werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Diese Arbeit dürfen nur ausgebildete Fachleute durchführen, die dafür Kurse besuchen müssen. Die Beringungen werden während einer Woche durchgeführt, ehrenamtlich, manche „opfern“ dafür ihre Ferien.
Wir hatten so viele neue Eindrücke gewonnen, dass wir nun wieder heimkehren mit einem Rucksack voller neuem Wissen.
Jeweils in der ersten Septemberwoche werden die Beringungen durchgeführt, Auskunft gibt die Website von Birdlife Schwyz. Sie hat übrigens noch andere interessante Exkursionen im Programm, reinschauen lohnt sich.