Heute war der Pic Chaussy das Ziel unserer Wanderung. Er ist mit 2351 Meter Höhe nicht gerade ein Riese, bietet aber eine grossartige Aussicht, weil er über der Verzweigung von zwei Tälern thront.
Bald erreichten wir die Buvette „des Petits Lacs“. Eigentlich wollten wir nur schnell etwas trinken, wurden aber bald Teil der illustren Gesellschaft. Der Wirt, Jean-Marie Grillon, ein älterer Herr mit zu einem Zopf gebundenen Haaren und einem langen, grauen Bart ist ein Lebenskünstler, den Sommer über wohnt er hier auf dieser Alp, betreibt die Buvette und begleitet junge Erwachsene, die in Schwierigkeiten stecken. In einem Monat fährt er los nach Indien, 10‘000 Kilometer mit dem Auto, im April kommt er wieder zurück. Er führt dort ein Projekt „Ali Baba and you!“, das wiederum weitere Hilfsprojekte unterstützt (mehr unter Alibaba and You). Solche Leute beeindrucken mich tausend Mal mehr als ein superreicher Investmentbanker, der sein Geld durch ausnutzen anderer macht. Dieser Mann könnte eine erfüllende Form des Glücks gefunden haben. Trotz allem wollten wir weiter.
Nach der Pause stiegen wir weiter, allerdings kamen beim Jüngeren jetzt Beinschmerzen hinzu, der Ältere war immer noch soooo müde. Das hinderte sie allerdings nicht daran, beim Geocachen hangauf und –ab zu kraxeln, sogar das Humpeln vergass Junior 2. Nachdem ich das richtige Profil eingestellt hatte auf dem GPS, fanden wir dann den Cache auch. Der Gipfel war nicht mehr fern, bei Punkt 2308 erreichten wir einen Sattel, der uns den Blick auf Les Diablerets eröffnete. Nun mussten wir nur noch einige Meter den Grat aufsteigen, dann erreichten wir das Ziel.
Es war ein wunderbares Bild, das sich mir bot: Da ist ein flacher Gipfel mit einem Tisch und zwei Bänken. Die zwei älteren Herren, die wir unterwegs immer wieder angetroffen haben, sitzen dort bei einer Flasche Wein und der mitgebrachten Verpflegung. So wird vollkommenes Glück sein: Zeit haben, bei Sonne und schönster Aussicht auf einem Gipfel mit einem guten Kameraden eine Flasche Wein geniessen. Was braucht es in diesem Moment mehr? Nichts. Absolut nichts. Ob die Herren das auch so empfanden? Ich konnte aber ja nicht jammern. Mir erging es ja gleich, nur die Flasche Wein fehlte. Mit der Familie einen Gipfel, ein solches Erlebnis teilen, ist etwas Wunderbares. Und wenn man dann noch einem Adler zuschauen kann, wie er majestätisch seine Kreise zieht, ist auch mein Glück vollkommen.
Eingeholt von der Realität wurde ich dann wieder im Abstieg, als dem einen immer noch das Bein wehtat, dem anderen die Knie. Aber es ist wie es ist beim Wandern oder Bergsteigen: Rauf wollen wir, runter müssen wir (ich nehme da mal die Skitouren aus davon). So erreichten wir trotz Wehklagen den Lac Lioson, wo wir einen zweiten Cache bergen konnten. Nach einer kurzen Pause nahmen wir den restlichen Abstieg in Angriff, der zum Leidwesen des Älteren über eine stellen weise unglaublich steile Strasse führte. Wieder bei der Alp Lioson d’en Bas angekommen, wollten wir noch Käse kaufen. Wir kriegten ein Stück des Etivaz zum Probieren, und mussten sagen, molmol, da nehmen wir doch gleich einen grossen Mocken davon.
Zwischen dem Ende der Wanderung und dem Zubettgehen musste aber jemand unsere Kinder gegen andere ausgetauscht haben. Denn abends um acht Uhr rannten und lärmten zwei Kinder durch das Haus. Das konnten nicht unsere sein, die den ganzen Tag so müde waren und denen die Beine so weh taten.
Infos
Charakter: Eine stellenweise steile, abwechslungsreiche Tour mit verschiedenen Einkehrmöglichkeiten. Im Lac Lioson kann im Sommer gebadet werden. Bei der Alp Lioson d’en Bas kann man Käse und andere Produit du Terroir kaufen.
Route: Col des Mosses – Lioson d’en Bas – Vers les Lacs – Pic Chaussy – Lac Lioson – Lioson d’en Bas – Col des Mosses
Schwierigkeit: T2
Distanz: 13 km
Höhenmeter: 900 m
Wanderzeit: 4 ½ h
Familientauglichkeit: Gut möglich, keine besonderen Schwierigkeiten.
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