Für die Skiferien 2015 suchten wir einen Ort, der folgende Bedingungen erfüllt: Skifahren, Langlaufen und Skitouren sollen möglich sein. Diesen Ort fanden wir in Blatten im Lötschental. Beim Chalet „Heidi“, unserer Unterkunft, führte die Loipe gleich ein paar Meter daneben vorbei, mit dem Postauto waren wir im Nu in Wiler, um auf der Lauchernalp Ski zu fahren. Nur die Skitouren mussten wir wegen den Verhältnissen – zuerst zu wenig Schnee, dann zu viel, obendrein ständige Windverfrachtungen – streichen.

Langlaufen vor imposanter Kulisse: Lötschenlücke, Sattelhorn, Schinhorn
Langlaufen vor imposanter Kulisse: Lötschenlücke, Sattelhorn, Schinhorn

Das Lötschental ist sehr gut erreichbar per ÖV. Entspannt geniessen wir die Anreise. Durchs Mittelland, dem Thunersee entlang und das Kandertal hoch. Fast ein wenig schadenfreudig schauen wir auf die Autos, die immer wieder irgendwo stehen. Gleich nach dem Lötschbergtunnel, in Goppenstein, steigen wir ins Postauto um und fahren bis zur Endstation in Blatten. Schnee ist allerdings noch Mangelware, die Südhänge sind zum Teil noch braun. Aber die Szenerie ist grossartig: Das ursprüngliche Blatten mit den wunderschönen Walliser Häusern, dann die Lötschenlücke, das Sattelhorn und das Schinhorn. Und gleich über dem Dorf thront der Fast-Viertausender Bietschhorn. Da fühlt man sich gleich zu Hause.

Das Bietschhorn im Abendlicht
Das Bietschhorn im Abendlicht

Wir werden von den Vermietern herzlich empfangen. Nachdem wir uns eingerichtet haben, unternehmen wir einen Rundgang durchs Dorf und schmieden Pläne. Wir wollen sicher mal ausprobieren, wie das so ist mit Langlaufen, ob das den Kindern gefällt.

Langlaufen: Etwas für Kinder?

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Postauto nach Wiler und mieten die Ausrüstung für zwei Tage. Klassische Langlaufskis mit Schuppen als Steighilfe, Stöcke und Schuhe. Mit unseren Skihosen und Rucksäcken sind wir natürlich stylemässig völlig unten durch, dafür top motiviert. Die Kinder freuen sich über das Gewicht der Skis, verglichen mit ihren Tourenskis wiegen diese fast nichts. Wir starten beim Sportplatz in Wiler auf der Loipe. Als „erfahrener“ Langläufer, der vor bald 30 Jahren schon mal im Schulfernsehen gesehen hat, wie man es macht, will ich den Kindern noch Tipps geben. Aber ach je, schon fahren sie mir juchzend davon. „Gebt mir zwei Latten, und ich fahre überall runter“, ist deren Credo. Also ungern scheinen sie nicht mitzumachen.
Im Gegensatz zum Engadin oder Goms, den beiden grossen Langlaufzentren der Schweiz, ist das Gelände eher coupiert und immer wieder müssen kleinere Anstiege bewältigt werden. Aber die Strecke ist wunderschön: Die Loipe führt entlang der Lonza. Die Steine sind mit Eis umkränzt, eine Wasseramsel schwirrt über das eiskalte Wasser, im Hintergrund erspähen wir wieder die Lötschenlücke.

In Steigungen muss man kürzere Schritte nehmen, damit der Ski im Schnee greift. Das haben die beiden schnell begriffen, besonders der Jüngere. Mit kleinen Tippelschritten erklimmt er jeden Anstieg spielend. Schon nach etwa einer Stunde sind wir wieder in unserer Wohnung. Die Kinder haben aber so Spass daran, dass sie noch ein paar Mal hinter dem Haus hoch steigen und wieder runter fahren, auch durch den tiefen Pulverschnee.

Dass dies nicht immer ohne Sturz geht, zeigt dieses Video:

Am Nachmittag begeben wir uns auf die Runde hinter dem Dorf. Die Sonne scheint zwar, aber es stürmt zwischendurch immer wieder. Dort sind dafür Spuren für den klassischen Stil, also den Diagonalschritt, angelegt. Die Runde ist ideal, es gibt flache Gleitstücke, Abfahrten und Aufstiege, bestens geeignet, um sich an die schmalen Latten zu gewöhnen. Da spricht uns ein anderer Sportler an: „Sind diär vom Chalet Heidi?“. Äh. Sieht man uns das an? „I bin öie Skilehrer more.“ Ach so, das ist Martin, der Langlauflehrer, der uns vermittelt wurde von der Skischule Cool School. Sehr sympatisch, wir können uns also auf den morgigen Tag freuen.

Immer wieder werden wir durch Böen durchgeschüttelt. Einmal sehe ich, wie eine Windhose genau auf meine Frau und den Älteren zusteuert. Faszinierend (gemacht hat es ihnen natürlich nichts). Nun wollen wir unseren Radius etwas ausdehnen und steigen auf Richtung Fafleralp, allerdings nur einige hundert Meter. Eine wunderbare, ruhige Landschaft. Lärchenwald, Berge, Schnee. Was will man mehr? Müde und glücklich kehren wir wieder zurück in unsere Wohnung.

Unterrricht beim Profi

Am nächsten Tag treffen wir uns mit Martin, dem Langlauflehrer. Es schneit stark, eigentlich würde man da lieber am Cheminée in der Wärme bleiben und dem Schneegestöber zuschauen. Nicht so wir, wir freuen uns über die weisse Pracht. Wie bei jeder Sportart muss man sich zuerst aufwärmen. Mit Hin- und Hergleiten, Armen kreisen und Sprintübungen erreichen wir dieses Ziel. Er erklärt uns die Funktionsweise der Skis, die verschiedenen Techniken und so weiter. Aber genug der Theorie, wir wollen los. Gleiten, Diagonalschritt, Doppelstockschlag, alles wird geübt. „Ihr steht aber nicht wirklich das erste Mal auf Langlaufskis, oder?“ fragt Martin. Äh, doch, zumindest die Kinder, und bei mir sind es auch schon zwanzig Jahre her, seit ich das letzte Mal auf schmalen Latten stand. Der Wind ist heute schwächer, dafür schneit es, so dass die Loipe schon bald zugedeckt ist.

Wenn man aufsteigt, muss man auch wieder runterfahren, jedenfalls oft. Dieser Binsenweisheit gehorchend üben wir also auch die Abfahrt. Zuerst gibt es eine Trockenübung, die korrekte Position muss beherrscht werden. Danach sausen wir runter. Was bei den Profis schon wacklig aussieht, ist es bei uns erst recht. Trotzdem erreichen wir die Ebene sturzfrei, aber mit Alpinskis lässt es sich doch wesentlich besser runterfahren.


Nach zwei Stunden intensivem Langlauftraining ohne Pause ist es Zeit für das Mittagessen. Am Nachmittag laufen wir zu zweit bis Kühmatt, die Kinder sind ziemlich müde geworden. Da wir die Skis am gleichen Tag wieder zurückgeben müssen, machen wir anschliessend nochmals eine kleine Tour nach Wiler. Erstaunlich schnell sind wir wieder dort, das Training hat etwas gebracht.

Und jetzt Skating

Am ersten Skitag suchen wir noch die Skischule Cool School auf, um unsere Langlauflektion abzurechnen. Dabei erwähnen wir Beat Dietrich, dem Inhaber der Skischule, gegenüber, dass wir noch gerne Skating ausprobieren würden, das Sportgeschäft aber nur Schuppenskis habe. „Moment“, sagt er und telefoniert etwa zehn Minuten. „Alles klar, ihr könnt morgen Abend diese Nummer anrufen. Sie werden euch die Ausrüstung vermieten.“ Das nenne ich doch einen Service!
So melden wir uns am Mittwochabend bei Cécile Kalbermatten. Sie hat zusammen mit ihrem Mann das Material vom Langlaufzentrum Lötschental übernommen, das der bisherige Inhaber für alle ziemlich überraschend aufgegeben hat. Am nächsten Morgen schlafen wir zuerst einmal aus. Inzwischen hat es wieder angefangen zu schneien, und das nicht knapp. Die Räumungsfahrzeuge sind non-stopp unterwegs. Uns gefällt das natürlich, nun sieht man keine braunen Flecken mehr. Alles weiss! Das Dorf sieht jetzt zauberhaft aus, ein halber Meter Schnee liegt bereits auf den Dächern. Am Nachmittag treffen wir uns mit Cécile beim Skidepot. Die Skis sind bereits parat, exakt gemäss unseren Körpermassen, die wir tags zuvor angegeben haben, gewählt. Sie gibt uns noch verschiedene Tipps, denn auf Skatingskis stand von uns wirklich noch nie jemand. „Wisst ihr was, ich geh mich schnell umziehen, dann zeige ich euch ein paar Sachen“. Ich staune immer mehr ob diesen Lötschentalern. Wir gehen nach draussen ins Schneegestöber und ziehen die Skis an. Und schon skaten die Jungs los. Mit den fünf Zentimeter Neuschnee auf der Loipe ist das nicht ganz einfach. Was auf Skitouren der Traum ist, ist beim Langlaufen eher hinderlich. Das tut unserer Motivation aber keinen Abbruch. Wir legen los, laufen so, wir denken, das man laufen sollte. Und es geht gar nicht so schlecht. Man kommt schneller voran als im klassischen Stil, ist aber auch kraftraubender. Cécile ist nun auch bereit und zeigt uns diverse Übungen.

Eine davon ist ohne Skistöcke skaten. Sie zeigt uns auch die verschiedenen Techniken, 1:2, 1:1 und asynchron. Was das genau ist und wie man es richtig macht, kann man bei  www.lauftipps.ch  nachlesen. Wir drehen Runde um Runde, der Schneefall hört nicht auf. Cécile verabschiedet sich, wir wollen noch etwas weiter. Der Lonza entlang ist eine schöne Loipe, die allerdings auch unter dem Neuschnee zu versinken droht. Die Szenerie ist aber einfach traumhaft: Eine tief verschneite Landschaft, und es scheint nicht aufhören zu schneien. Eine wunderbare Ruhe umgibt uns, die wir in vollen Zügen geniessen. Ach, solche Momente könnten ewig dauern. Da skaten doch anstrengend ist, sind auch die Kinder (endlich) müde, und wir kehren wieder um.

Am letzten Ferientag wollen wir es nochmals wissen und setzen uns die Fafleralp als Ziel. Das sind immerhin zehn Kilometer und 250 Höhenmeter. Es schneit immer noch, wir warten, bis das Pistenfahrzeug die Loipe präpariert hat. Als dieses an unserer Wohnung vorbeigefahren ist, machen wir uns bereit. Den Weg kennen wir bereits zu einem gewissen Teil. Links, rechts, links, rechts, wir haben den Rhythmus gefunden und steuern als Etappenziel Kühmad an. Zwischendurch halten wir immer wieder an, schauen uns um. In den Lärchen turnen Weidenmeisen und Birkenzeisige, wir sind ganz entzückt, vor allem Silvan, der diese Vögel noch nie gesehen hat (und sie zu Hause stolz auf seiner Liste nachführt). Am Himmel kreisen zwei Steinadler. In diesem Moment bin ich einfach nur glücklich! Nach Kühmad geht es ans eingemachte. Die Strasse, sprich Loipe steigt nun heftiger an, in Serpentinen windet sie sich hoch. Unbeirrt skaten die Kinder weiter, wir staunen. Anscheinend haben wir wirklich eine neue Sportart gefunden. Wir erreichen ein Schild, das Werbung macht für das Restaurant Fafleralp. Dies setzt nochmals Kräfte frei. Allerdings scheinen wir den Hügel zu umrunden. Unterwegs treffen wir nochmals auf ein Schild: „Geschlossen, wieder geöffnet ab 30. Januar“ Und heute ist… der 30. Januar! Was haben wir für ein Glück, Fabian hätte uns das nicht verziehen (obwohl wir nichts dafür könnten). Und tatsächlich, das Restaurant ist offen. Die Tour muss nun natürlich gefeiert werden mit Heidelbeer- oder Aprikosenkuchen und einer warmen Ovomaltine. Der Rückweg geht dann natürlich noch flotter, können wir doch nun hinunterfahren. Aber wie bereits erwähnt, was mit Alpinskis langweilig wäre, ist nun mit den dünnen Latten eine Herausforderung. Aber die meistern fast alle. Die Kinder fragen sich in einer Kurve, wo denn dieses Loch im weichen Schnee herkommt. Als sie meine Hose sehen, an der Schnee klebt, kombinieren sie ganz schnell… Bald sind wir wieder in Blatten und retournieren die Skis.

Fazit: Langlaufen ist definitiv kein Senioren- oder Ausdauersport für Verbissene, sondern einer für die ganze Familie. Man kann im eigenen Tempo gehen/laufen, halten, wo es einem gerade gefällt, soweit gehen, wie man Lust hat und die Natur geniessen. Dass die Ausdauer, Koordination und Kraft gefördert wird, ist ein zusätzlicher positiver Effekt. Zudem kann man diesen Sport auch schnell mal im Flachland ausüben, sobald es Schnee hat. Also, wer es noch nicht kennt: Ausrüstung mieten und ausprobieren!

Skifahren auf der Lauchernalp

Die Skitouren fielen ja aus, aber zwei Tage gönnten wir uns auf der Piste. Wenn man die Lifte anschaut, hat man das Gefühl, es handle sich um ein kleines Skigebiet: Drei Lifte bis zuoberst, dazu noch zwei Bügellifte. Aber Pisten hat es jede Menge, vor allem anspruchsvolle. Für Anfänger ist das Gebiet nur bedingt geeignet, die bleiben am besten in der ersten Sektion. Es hat zwar zuoberst auch eine blaue Piste, in anderen Skigebieten wäre die aber bestimmt schon rot, und um wieder runter zu kommen, muss man eine schwarze Piste runter, ghoue oder gstoche. Und die ist doch ziemlich steil. Wer sich aber auf schwarzen Routen zu Hause fühlt, ist hier bestens bedient. Und die Aussicht ist grossartig: Vis-à-vis das gewaltige Bietschhorn, rechts davon viele Viertausender wie das wunderschöne Weisshorn (seufz!), die Dent Blanche oder das Matterhorn. Von der obersten Station aus sieht man auch auf die andere Seite ins Gasterental und frontal an die Rückseite von Doldenhorn, Fründenhorn und der Blüemlisalp.
Wir hatten zusätzlich noch das Privileg, die Pisten fast für uns alleine zu haben. Sonne, frischer Pulverschnee – und manchmal alleine unterwegs! So sollte es immer sein (für uns, die Bahnbetreiber sehen das naturgemäss anders). Wer gut Ski fährt, dem sei die Lauchernalp als Familienskigebiet wärmstens empfohlen.

Blatten

Ich muss gestehen, ich kannte vorher dieses Dorf überhaupt nicht, und das Lötschental nur dem Namen nach. Diese Scharte habe ich nun ausgewetzt, und ich habe mich auch ein bisschen in das Dorf verliebt. Wenn ich an Wallis und Tourismus denke, kommen mir zuerst schreckliche Tourismuskasernen, Zersiedelung, verstockte Einheimische und durch allerlei Bahnen verschandelte Landschaften in den Sinn. Das Lötschental und insbesondere Blatten haben mir gezeigt, dass das Wallis auch eine andere Seite hat. Beim Vorbereiten der Ferien hatte ich mit verschiedenen Personen Kontakt, und aus diesen Erfahrungen dachte ich mir: Mein Gott, das kann ja noch heiter werden. Aber zum Glück musste ich diese Meinung revidieren. Wir trafen ausnahmslos auf herzliche Menschen, mit denen man sofort in Kontakt kam.
Das Dorf Blatten besteht hauptsächlich aus uralten Walliser Häusern, deren Holz schwarz geworden ist über die Jahrhunderte. Auch die neueren Bauten im Dorfkern wirken ziemlich authentisch und passen sich ins Dorfbild ein. Nur die Kirche… Na ja, Aber seht euch die Bilder am besten selber an.
Und wer’s bis jetzt noch nicht begriffen hat, was ich meine: Macht Ferien im Lötschental! (Ich wurde übrigens nicht bezahlt dafür). Wir sind jedenfalls nur sehr ungerne wieder abgereist (eigentlich wie immer).

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