Kinder zu einem Spaziergang zu bewegen, ist ja nicht immer einfach. Kommen sie in die Pubertät, wird es nicht einfacher, im Gegenteil. Wie also kann man sie dazu bringen, sich wieder mal die Natur anzuschauen? Man schlägt etwas Aussergewöhnliches vor, zum Beispiel ein nächtlicher Waldspaziergang.
Der Ältere war auf Schulreise im Entlebuch, Gold schürfen, der andere war mit der Klasse klettern, beide waren also müde. Und trotzdem: Als ich um neun Uhr abends fragte, ob wir noch in den Wald gehen wollen, waren beide dabei. Fabian kam natürlich mit dem Mountainbike, Silvan und ich gingen zu Fuss. Die Sonne war schon verschwunden, als wir starteten. Zum Wald sind es nur ungefähr 500 Meter.
Der Mensch, das Augentier
Was aber soll nun so spannend sein in einem dunklen Wald? Der Mensch ist zwar ein Augentier, wenn aber auf diese immer weniger Verlass ist, spielt das Gehör eine umso grössere Rolle. Wir lauschten also den Stimmen und Geräuschen, die der Wald von sich gibt. Da war ein Rauschen und Rascheln, ein Krächzen und Singen. Vor uns hüpfte eine Singdrossel, ein Rotkehlchen jubilierte im Geäst. Auf dem Weg zum Weiher raschelte es wieder im Gestrüpp, ein Reh hüpfte davon. Am Weiher setzte gerade ein Konzert ein: Die Frösche quakten aus voller Kehle. Der Wald in der Nacht ist faszinierend, was anscheinend die Leute nicht wissen, denn wir waren ganz alleine unterwegs.
Viel los nachts im Wald
Auch der Blick auf den Hallwilersee durfte bei so einem Spaziergang nicht fehlen. Prompt überraschten wir zwei Rehe. Eines rannte davon und bellte (ja, bellte, es tönte wie ein Hund), das andere blieb stehen und beäugte uns die längste Zeit, bis es sich auch in die Büsche schlug. Wir kehrten um, es war schon ziemlich dunkel geworden, trotzdem erkannte man immer noch einiges. Die Fledermäuse waren inzwischen auch erwacht, flatterten über unseren Köpfen. Faszinierend, wie sie mit ihrem Echolot in traumwandlerischer Sicherheit ihre Beute jagen und Hindernissen ausweichen, als Augentier kann man sich das gar nicht richtig vorstellen.
Und da flatterte wieder etwas über uns hinweg, aber viel grösser als eine Fledermaus: Eine Waldohreule! Wir hofften, aber erwarteten nicht, diesen Nachtvogel anzutreffen. Ob es jener war, den wir letzten Winter regelmässig besuchten? Kurz darauf vernahmen wir ein scharfes Fiepen. Unverkennbar ein Waldohreulenküken! Sie hatten also wieder Nachwuchs, was für eine Freude. Wir schlichen uns an, dass Fiepen entfernte sich. Das Küken war also schon flügge. Wir schlichen weiter hinterher, kamen ihm recht nahe. Die Kinder sahen es zwischendurch auch, ich nicht. Am Waldrand schauten wir nochmals angestrengt, ohne das Küken zu sehen. Dafür flog der Altvogel eine Schleife über das Feld, deutlich sichtbar (so gut das noch geht bei der Dunkelheit). Zufrieden und glücklich machten wir uns wieder auf den Heimweg.
Angst?
Wer heute noch Angst hat, nachts in den Wald zu gehen, hat wohl zu viele Märchen gelesen und glaubt auch noch daran. Nachts in der Stadt ist es definitiv gefährlicher als im Wald. Was sollte uns da schon bedrohen? Die grössten Tiere bei uns im Mittelland sind die Rehe, das grösste Raubtier ist der Fuchs. Und die nehmen lieber Reissaus als dass sie uns reissen. Das gefährlichste Tier für uns Menschen ist dagegen winzig klein: Die Zecke. Aber auch hier gilt: Kein Grund, nicht in den Wald zu gehen. Sehr wichtig ist nach einem Waldbesuch aber, den ganzen Körper nach diesen Biestern abzusuchen, am nächsten Morgen gleich nochmals. Hat sich so eine Plagegeist bereits festgebissen, entfernt man ihn mit einer Pinzette und desinfiziert die Stelle.
Lässt man sich einfach mal darauf ein, bietet so ein nächtlicher Waldbesuch ein tolles Erlebnis für die ganze Familie.
Wie motivierst du die Kinder für einen Spaziergang?