Letztes Jahr versuchten wir es ein erstes Mal, auf der Panoramabike von Thun nach Montreux zu radeln, erreichten aber nur den Gurnigel, bis eine längere Schlechtwetterfront uns bereits am Anfang zur Aufgabe zwang. Dieses Jahr sollte es klappen, lag doch seit Wochen ein Hochdruckgebiet mit heissem Wetter über Europa.

Bei Hällstett: Steile Abfahrt mit Blick ins Mittelland
Bei Hällstett: Steile Abfahrt mit Blick ins Mittelland

Vom Gurnigel zur Alp Balisa

Den Aufstieg zum Gurnigel schenkten wir uns, den hatten wir ja letztes Jahr bewältigt. Wir reisen also mit dem Zug bis Thurnen, von dort wechseln wir ins Postauto. Wir sind aber bei weitem nicht die einzigen, die ins Gantrischgebiet wollen, der Bus ist praktisch voll besetzt, wir haben gerade knapp Platz. „Ab Ringgisberg gibt es ein Entlastungspostauto“, verkündet der Chauffeur. Na dann. Wir steigen dort um, was ein ab uns genervter Herr wohlwollend zur Kenntnis nimmt. Nebst einer anderen Familie sind wir die einzigen, haben Platz nach Belieben, während die anderen im vollbesetzten Bus saunieren. Beim Berghaus, wo wir das letzte Mal übernachtet haben, steigen wir aus mit der Aussicht auf einen Kaffee. Doch die Vorfreude wird getrübt: „Montag + Dienstag Ruhetag“. Und heute ist Montag. Also starten wir, aber schon ein paar hundert Meter weiter ist die Stierenhütte offen, wo es doch noch etwas zu trinken gibt.

Über den Gurnigel

Ich erwarte eine entspannte Etappe mit wenig Aufstieg im ersten Teil, erst im zweiten wird es zum Schluss auf die Alp Balisa so richtig steil. Nun ja, ich sollte mich täuschen. Wir biegen bei der Wasserscheidi in eine Forststrasse ein, geniessen das fantastische Panorama auf Gantrisch & Co. Das Wald-Weidenröschen blüht massenhaft und gibt einen farbigen Vordergrund ab. Entgegen der Erwartung geht es ständig auf und ab, und nicht nur abwärts. Dafür werden wir hin und wieder mit einem kniffligen Singletrail belohnt. Oberhalb Ottenleuenbad erfolgt der letzte steile Aufstieg mit schieben, bevor es abwärts geht. Ruppige Trails fordern unser fahrerisches Können, zwischendurch ist es extrem steil. Gute Bremsen sind spätestens hier unerlässlich.

Der Sense entlang nach Schwarzsee

Bei Zollhaus fahren wir der Warmen Sense entlang, was auf einen gemütlichen Weg schliessen lässt. Wieder weit gefehlt, es geht auch hier ständig auf und ab, wenn auch in kleineren Dimensionen. So langsam wird der Jüngere müde, da kommt eine Pause am Schwarzsee gerade recht. Wir erkennen die Wanderung durch die Urlandschaft Brecca, die wir für unseren Bergtourenführer 21 Bergtouren für Familien gewandert sind. Nach dieser müssen wir einen letzten, steilen Anstieg bewältigen. Ich binde das Bike von Silvan an meines und gemeinsam schieben wir die steile Passage hoch, bis wir die Alp Balisa erreichen, unser Ziel für heute.

Die Alp Balisa bietet Schlafplätze im Stroh ohne jeglichen Komfort, es gibt auch keine Dusche, aber Wasser zum Waschen. Zum Nachtessen gibt es währschaften „Chäsbrägel mit Brot“, eine Art Käseschnitte. Genau das Richtige, um die verbrannten Kalorien wieder zu ersetzen. Heute werden wir nicht alt, schon bald betten wir uns ins Stroh und fallen in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

Alp Balisa – Cabane des Clés

Wir wollen zeitig starten, denn auch heute wird es wieder heiss, zudem steht sozusagen die Königsetappe an zum Fusse des Moléson, den wir gestern schon aus weiter Ferne gesehen haben. Wir geniessen ein zünftiges Älplerzmorge auf der Terrasse, bevor wir starten. Silvan jammert über Verspannungen in den Schultern, entsprechend ist auch seine Laune. Unsere Etappe beginnt gleich mit einer langen Abfahrt über Alpen. Ein Zwischenstück ist extrem steil, wir sind wieder froh um unsere guten Bremsen. Wir fahren am Kloster La Valsainte vorbei nach Charmey, nehmen den einen oder anderen Singletrail mit. Silvans Laune hat sich nicht verbessert. Ich kann ihm nachfühlen mit den Schultern, das kann passieren mit einem schweren Rucksack. Wir nehmen ihm Gepäck ab, um ihn etwas zu entlasten.

Trinken ist wichtig

Am Dorfbrunnen von Charmey füllen wir unsere Flaschen auf. Wir nutzen nun jede Gelegenheit, denn man kann nicht genug trinken bei dieser Hitze. À propos trinken, ein Kaffeehalt ist fällig. Diesen machen wir im Hotel Sapin, wo die Frau und ich einst die Flitterwochen verbrachten. Weiter geht es auf der Hauptstrasse (eine andere Möglichkeit gibt es leider nicht), erst bei Crésuz zweigt die Route ab, dafür müssen wir nochmals zünftig hochtreten. Ausgangs Châtel-sur-Montsalvens tauchen wir in den Wald ein, der Weg wird eng, Fabian jubelt: „Jupiiii, Singletrail!“ und brettert los. Der Trail hat es wirklich in sich, aber das kümmert die Jungs nicht. Bald spuckt uns der Wald wieder aus in Botterens. Flach geht es weiter nach Broc, an der Schoggifabrik vorbei, dann wieder steil hoch ins Dorf.

Besuch in Gruyères

Da wir in der nächsten Unterkunft, der Cabane les Clés, selber kochen müssen, beschaffen wir uns hier noch die nötigen Zutaten für eine Mahlzeit, bevor wir weiter fahren nach Gruyères. Dieses Mittelalterstädtchen liegt zwar etwas abseits der Route, aber wir lassen es uns nicht entgehen. Wir pedalen hoch auf den Hügel, denn die Herren von Greyerz wussten schon, wo sie ihr Schloss strategisch am günstigsten bauen. Es ist wirklich malerisch, aber Restaurant wechselt sich ab mit Souvenirshop, es ist eine veritable Touristenfalle, in die wir uns allerdings nicht locken lassen. Wir strecken unsere Nase noch schnell in die H.R.-Giger-Bar, die dem Schöpfer der Aliens-Figuren gewidmet ist, und kehren dann wieder um. Einkehren tun wir in einem Restaurant in Pringy, dem Dorf gleich nebenan.

Ein letzter Aufstieg heute

Angesichts der Hitze und der Müdigkeit der Kinder lassen wir uns mit dem Bus nach Moléson-sur-Gruyères chauffieren. Diesen hässlichen Retortenort aus den Sechzigerjahren lassen wir dann schnellstmöglich hinter uns, radeln weiter hoch auf einer Alpstrasse, 220 Höhenmeter gilt es noch zu bewältigen. Wieder gibt es Schiebepassagen, vor allem der letzte Teil zur Cabane des Clés hoch, die der SAC-Sektion de la Gruyère gehört. Sie wird von Mitgliedern der Sektion bewartet, zu essen gibt es aber ausser Suppe nichts, man muss selber kochen. Aber die Hütte ist fantastisch gelegen, die Aussicht atemberaubend. Weit unten liegt Gruyères, auch Charmey erblicken wir und ungefähr den Ort, wo wir hergekommen sind. Selbstredend, dass man hier fantastische Sonnenunter- und aufgänge erleben kann.

Cabane des Clés – Les Paccots

Wir starten den Tag wieder draussen beim Frühstück auf der Terrasse. Die heutige Etappe ist relativ kurz und der bewölkte Himmel sorgt auch für etwas kühlere Luft. Die Strecke führt uns unter dem Moléson durch, der vorgestern noch so weit weg schien. Er ist 2002 Meter hoch und über Wanderwege besteigbar. Oder mit der Seilbahn. Auch zwei Klettersteige führen durch die Nordseite. Wir lassen ihn aber wortwörtlich links liegen und fahren weiter nach Gros-Plané, wo eine erste Einkehrmöglichkeit auf uns warten würde, wäre es nicht noch etwas früh. Wir fahren deshalb weiter, erklimmen ein Pässchen bei Le Villard. Silvan fühlt sich heute wesentlich besser, die Schultern haben sich erholt.

Auf und ab

Nach einer kurzen Abfahrt folgt ein längerer Aufstieg, welchen wir zügig hinter uns bringen, denn eine Tafel warnt vor Steinschlag, was mir nicht aus der Luft gegriffen scheint, wenn ich an die Hänge des Teychasaux hochschaue, einem Berg südlich des Moléson. Von La Chaux blicken wir ein erstes Mal auf unser Ziel, Les Paccots, und Châtel-St-Denis im freiburgischen Mittelland. Jetzt geht es, mit einem kurzen Gegenanstieg, auf einem Singletrail hinunter zur Alp Belle Chaux. Dieser ist aber nicht so spassig wie es zuerst den Anschein macht, denn alle zwei Meter sorgt eine tiefe Querrinne für eine gute Entwässerung des Weges, macht diesen aber nicht richtig fahrbar. Von der Alp Belle Chaux her gibt es nur noch Asphalt nach Les Paccots hinunter.

Kaffeehalt

Es ist noch mitten im Morgen, also reichlich Zeit für einen Kaffee in der Buvette de Saletta. Die Aussicht von der Terrasse ist toll, die sanften Hügel und schroffen Berge scheinen zum Wandern einzuladen. Wir surfen anschliessend auf der Strasse hinunter nach Les Paccots, biegen aber vorher links ab für eine Zusatzrunde, schliesslich ist noch nicht mal Mittag. Wir nehmen nochmals 100 Höhenmeter unter die Räder. Ich trete in die Pedalen, es ist relativ steil. Dass mir Fabian wie ein Schatten folgt, daran habe ich mich gewöhnt. Dass er dies aber EINHÄNDIG macht, nagt dann aber doch etwas an meinem Ego.

Wir erreichen La Bourbuintse, die Bergstation eines Skiliftes. Die Winterinfrastruktur ist völlig veraltet, es sind alles Tellerlifte. Überhaupt scheint Les Paccots seine besten Zeiten längst hinter sich zu haben. Wie Moléson-sur-Gruyères ist es ein hässlicher Retortenort, den man gerne möglichst schnell wieder verlässt. Für eine Nacht reicht es, aber zuerst mal brettern wir die Skipiste hinunter und fahren zum Lac des Joncs hoch, der, im Gegensatz zum Ort, sehr malerisch ist. Dort pausieren wir eine ganze Weile, ruhen uns aus und inspizieren das Seelein, das einer von nur vier Orten ist, wo die Kleine Teichrose wächst, wie eine Tafel am Ufer verrät.

Im Hotel „Les Rosalys“

Wir fahren zum Hotel „Les Rosalys“, wo wir einchecken und – endlich! – nach drei Tagen intensivem Schwitzen ohne Duschmöglichkeit wieder einmal eine solche geniessen. Das Hotel ist im Gegensatz zum Ort sehr charmant, die Bedienung sehr nett. Wir machen einen gemütlichen Nachmittag, erkunden eine Abkürzung nach Les Joncs, um am nächsten Morgen einige Höhenmeter einzusparen. Eigentlich ist heute 1. August, der schweizerische Nationalfeiertag. Aber ausgerechnet jetzt entscheidet sich das Wetter dazu, wieder mal ausgiebig zu regnen. Dies bringt etwas vom lange ersehnten Regen und Abkühlung.

Les Paccots – Montreux (- Les Grangettes)

Die letzte Etappe und gleichzeitig die längste, aber die meisten Kilometer fallen abwärts an. Wie üblich wollen wir um 7 Uhr frühstücken, aber das Hotel bietet erst ab 8 Uhr Frühstück an. Der Chef macht eine Ausnahme und ist für uns um 7 Uhr bereit. So können wir zeitig starten, fahren und schieben den erkundeten Weg hoch. Tatsächlich sind wir schon bald wieder auf der Route. Auf einer asphaltierten Strasse fahren wir in ein Tal hinein, es ist menschenleer, ruhig, nur Kuhglockengebimmel ist zu hören. Auch die Temperaturen sind angenehm kühl, wir fahren ab bis zum Bach bei Guedères. Danach steigt der Weg wieder steil an zur Alp Gros Caudon.

Ein verkehrter Singletrail

Zwischendurch nehme ich Silvan wieder in den Schlepptau. Von der Alp Gros Caudon auf den Col de Soladier ist ein Singletrail eingezeichnet, der andersrum etwas mehr Spass machen würde. Nun müssen wir diesen hoch. Es ist nur ein Kuhtrampelpfad, zudem glitschig wegen dem Regen in der vorangegangenen Nacht. Wir schieben, ziehen und zerren unsere Bikes hoch in den Gräben, aber es ist mühsam. Es macht keinen Sinn so. Silvan lässt sein Bike liegen und geht hoch, ich schiebe mein Bike ebenfalls hoch, bis wieder ein flacheres und besser begehbares Stück Weg kommt. Dann kehre ich um und hole Silvans Bike. Irgendwann erreichen wir den Col de Soladier. Das war mit Abstand das härteste Stück Weg in diesen vier Tagen. Aber auch in die andere Richtung wäre der Trail kein besonderes Vergnügen.

Abfahrt nach Montreux

Nach der Pause fahren wir auf einer Alpstrasse leicht abfallend dem Hang entlang Richtung Col de Jaman. Und wir erblicken zum ersten Mal unser Ziel, den Genfersee. Beim Col de Jaman wollten wir eigentlich etwas trinken, aber wir haben die Abzweigung verpasst. Nun fahren wir halt abwärts, immer auf der Strasse und durch den Wald, Kehre um Kehre nach unten. Zwischendurch haben wir freie Sicht, blicken auf den Genfersee und Les Avants. Noch einmal gibt es einen einfachen Singletrail, dann fahren wir nur noch auf Asphalt. In Glion fahren wir an ein palastähnliches Gebäude: The Glion Institute of Higher Eduction, der Swiss Hotel Management School. Der Prunkbau thront hoch über dem Genfersee und ist sehr eindrücklich. Auf der Rückseite wurde mit Glanz gespart, diese von unten nicht sichtbare Seite ist ganz schlicht und zweckmässig.

Am Genfersee!

Wir fahren weiter, es geht wieder ein Stück hoch, dann runter zur Pont de Pierre und wieder hoch durch die Gorge du Chaudron. Der Verkehr nimmt zu, die Strassen werden breiter, und dann sind wir auch schon in Montreux, an der Riviera der Schweiz, am Ziel! Der Genfersee. Schon einmal war er der Endpunkt, damals in Nyon, heute in Montreux. Wieder ein Traum erfüllt, die Panoramabike beendet. Moment! Wir sind in Thun gestartet. Die Panoramabike beginnt am Bodensee… To be continued.

Vorerst fahren wir gemütlich dem Quai entlang, an der Statue eines Künstlers vorbei, einem der grössten Entertainer aller Zeiten: Freddy Mercury. Wir machen uns nun auf zum zweiten Teil unserer Ferien, fahren vorbei am Schloss Chillon zum Zeltplatz „Les Grangettes“. Auch diese Geschichte wird eine Fortsetzung erfahren, und zwar demnächst auf dieser Seite.

Info

Die Panoramabike von SchweizMobil beginnt am Bodensee und endet am Genfersee. Die Strecke führt über 450 Kilometer quer durch die Schweiz. Wir haben diesen Sommer die Strecke vom Gurnigel nach Villeneuve abgefahren, insgesamt 127 Kilometer.

Etappe Kilometer Übernachtung
Gurnigel – La Balisa 30 km La Balisa
La Balisa – Cabane les Clés 34,5 km Cabane „Les Clés“
Cabane les Clés – Les Paccots 21,2 km Hotel „Les Rosalys“
Les Paccots – Villeneuve 42,3 km

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